Baubiologie, © Patrick P. Palej – Fotolia.com
Grundlagen: Ökologisches Planen und Bauen
Ökologisches Planen und Bauen ist eine komplexe Aufgabe, deren Sinnhaftigkeit heute kaum mehr in Frage gestellt wird. Die von Bauherren und Architekten verfolgten Ziele sind dabei aber ebenso vielfältig wie die unterschiedlichen Schwerpunkte bei der Umsetzung. So versucht man einerseits, Ressourceneffizienz durch den Einsatz möglichst „innovativer“ Baumaterialien, Techniken und Verfahren zu erreichen, andererseits aber auch über die Verwendung von natürlichen und nachwachsenden Baustoffen oder historisch-etablierten Gebäudetechniken.
Baubiologie – Vorläufer des ökologischen Bauens
Als Mitte der 1950er Jahre ein Bewusstsein für die Schädigung der Umwelt durch die massenhafte Produktion von Gütern aufkam, konnte sich die Forderung „Zurück zur Natur!“ auch im Bauwesen durchsetzen. Diese Entwicklung fand u.a. in der Baubiologie Beachtung, wo Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen im Vordergrund stehen.
Semantisch verweist die Baubiologie bereits auf das ökologische Planen und Bauen. Ihre wissenschaftliche Grundlage bildet Ökologie, welche als Teilbereich der Biologie die Lehre von den wechselseitigen Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt beschreibt.
Vom umweltgerechten zum nachhaltigen Bauen
Seit den 1970er Jahren entstanden aus der Baubiologie das umweltgerechte und später das ökologische und nachhaltige Bauen. Damit wurden der Schutz der Umwelt und die langfristige Förderung sozialer und ökonomischer Aspekte berücksichtigt.
Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft und wurde 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen („Brundtland-Kommission“) adaptiert. In deren Bericht „Our Common Future“ („Unsere gemeinsame Zukunft“) definieren sie, dass eine Entwicklung dann nachhaltig ist, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können“ (übersetzt aus dem Englischen, Brundtland-Bericht, S. 51, nachzulesen auf der Website der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“).
Beim nachhaltigen Planen und Bauen werden in allen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes ökologische, ökonomische, kulturelle und soziale Faktoren (die vier Grundpfeiler der Nachhaltigkeit) unter den spezifischen Verhältnissen des Bauvorhabens beachtet. Dabei wird eine möglichst geringe Belastung der Umwelt angestrebt.
Erstes Ziel sollte es also immer sein, die vorhandenen Ressourcen zu schonen. Das hat zur Folge, dass Baumaterialien und Gebäude über den gesamten Lebenszyklus analysiert, also langfristig betrachtet werden müssen: ihre Lebenserwartung, Ressourceneffizienz, mögliche Reparaturen, Wiederverwendung, Deponierung und vieles mehr.
Im Hinblick auf ökologische Kriterien ist es zum Beispiel notwendig, den Primärenergiegehalt der Baustoffe ebenso zu bedenken wie den benötigten Energieaufwand zum Heizen oder Kühlen eines Gebäudes, den Aufwand für Instandhaltungsmaßnahmen bis hin zum Rückbau des Gebäudes, inklusive Recycling der Baustoffe.
High-Tech vs. Natur
Wie bereits angedeutet, ist ökologisches Bauen kein Architekturstil, sondern vielmehr eine Haltung, die nach unterschiedlichen gestalterischen Kriterien umgesetzt werden kann. So müssen sich extreme Technisierung und ökologische Grundsätze nicht wiedersprechen:
High-Tech-Architektur ist eine Architekturströmung, die sich ebenfalls in den 1970ern herausbildete. Bei der Planung monumentaler „Gebäudemaschinen“ gab es auch Tendenzen, Hochtechnologien aus der Luftfahrt-, Raumfahrt- und Energietechnik oder dem Auto- und Schiffsbau für ökologische Ziele einzusetzen.
So wurde High-Tech-Architektur zum Ausdruck eines Glaubens an technische Lösungen und ging dennoch parallel mit einem veränderten Umweltbewusstsein einher, bei dem der technische Fortschritt in Frage gestellt wurde. Dies hatte zur Folge, dass beispielsweise intelligente Fassadensysteme entwickelt wurden, die eine bessere Nutzung von solarer Energie, natürlicher Belichtung und Belüftung ermöglichten und damit ihren Beitrag zum ökologischen Bauen (hier: im Hinblick auf das Raumklima) leisteten.
Zu den Vertretern dieser Strömung zählen Richard Rogers oder Renzo Piano. Aber auch von Naturwissenschaften beeinflusste Architekten, wie Norman Foster oder Frei Otto, entwickelten grundlegende Konzepte, die bedeutend für den Fortschritt des modernen ökologischen Bauens waren.
Im Kontrast dazu stehen noch heute Baumaßnahmen, bei denen sich auf ein „ursprüngliches“ Bauen berufen wird. Historisch basiert diese Bauweise auf einer selbstverständlichen Nachhaltigkeit, die es in allen Kulturen und (fast allen) Epochen gab. Dies ist bereits in Vitruvs „Zehn Bücher über Architektur“, dem einzigen aus der Antike überliefertem Architektur-Lehrbuch, deutlich zu erkennen. So beachtet Vitruv zum Beispiel im Kapitel „Über die Berücksichtigung der klimatischen Verhältnisse bei der Anlage von Privatgebäuden“ Prinzipien der Nachhaltigkeit.
Buchempfehlungen:
- „Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung“ von Holger König, Niklaus Kohler, Johannes Kreißig und Thomas Lützkendorf. Detail Green Books, 2009. ISBN: 978-3-920034-30-0
- „Nachhaltig Bauen: Lebenszyklus, Systeme, Szenarien, Verantwortung“ von Holger Wallbaum, Susanna Kytzia und Samuel Kellenberger. Vdf Hochschulverlag, 2011. ISBN: 978-3-728134-15-8
- „Nachhaltig Konstruieren“ von Sebastian El khouli, Viola John und Martin Zeumer. Detail Green Books, 2014. ISBN: 978-3-95553-217-8
Weiterführende Links:
- http://www.bund.net/service/oekotipps/bauen_und_renovieren/
Auf der Website des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) werden Tipps zum ökologischen Bauen und Renovieren gegeben.
- http://www.nachhaltigesbauen.de
Informationsportal Nachhaltiges Bauen des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)
- http://www.wecobis.de
Wecobis – Ökologisches Baustoffinformationssystem des BMUB sowie der Bayrischen Architektenkammer. Hier werden herstellerneutrale Informationen zu gesundheitlichen und umweltrelevanten Aspekten von Baustoffen und Grundstoffen in den unterschiedlichen Lebenszyklusphasen (Rohstoffe, Herstellung, Verarbeitung, Nutzung, Nachnutzung) bereitgestellt.
Zur Autorin: Anett Ring ist M.A. Architektur, Freie Fachjournalistin und wissenschaftliche Autorin. Sie lebt und arbeitet als digitale Nomadin und konzipiert Websiten für Architekten. www.anettring.de