Stahl: vielseitig und nachhaltig

  • Von Gina Doormann
  • Veröffentlicht 22. Mai 2015
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In Europa sind etwa 2000 verschiedene Stahlsorten verzeichnet. Ein Stillstand in Forschung und Entwicklung neuer Stähle ist noch nicht absehbar. An der Qualität und vormals nicht gekannter Belastbarkeit wird kontinuierlich gefeilt. Für diesen stetigen Fortschritt sprechen gute Gründe: Stahlkonstruktionen sind in verschiedensten Varianten möglich. Tragwerke aus Stahl können – neben ihrer funktionalen Aufgabe – die Formensprache eines Gebäudes aufgreifen und gemeinsam mit einer ausdrucksstarken Fassade nach außen kommunizieren. Stahl ist nicht nur ein vielseitiger Werkstoff, sondern zudem durch Vorfertigung kostensparend und sogar ökologisch nachhaltig.

kleine Stahlbrücke

kleine Stahlbrücke, HafenCity Hamburg © powell83]

Was ist das für ein Material?

Bei Stahl handelt es sich um metallische Legierungen, die hauptsächlich aus Eisen bestehen und mittels Umformverfahren bearbeitet werden können. Diese Definition umreißt den Werkstoff heutzutage jedoch nur noch sehr ungenau, da es inzwischen vielfältige Legierungen mit individuellen Eigenschaften gibt. Eine Eigenschaft, die hingegen auch für neue Stähle zutreffen muss, gibt die DIN EN 10020 vor. Sie besagt, dass der Kohlenstoffgehalt im Allgemeinen unter 2,06 % liegt. Dieser Wert zieht zugleich die Grenze zwischen Stahl und Gusseisen. Die am häufigsten im Stahlbau verwendeten Stähle sind die Baustähle S 235 und S 355. Diese unlegierten Stähle machen 95 % aus. Ihre Bezeichnung, also die Ziffer nach dem S, gibt die Streckgrenze in N/mm² an.

Eigenschaften von Stahl

Eine Eigenschaft, die Stahl als Bauwerkstoff so beliebt macht, ist seine Fähigkeit zur Aufnahme von Zugkräften. Er kann sich kurzfristig verformen, zum Beispiel strecken, und nimmt im Anschluss wieder in seine Ursprungsform ein. So nutzt er den elastischen Bereich optimal. Sobald er den diesen überschreitet, geht er in den plastischen Bereich über. In diesem Bereich ist die Längendehnung nicht mehr rückgängig zu machen. Diese Materialeigenschaften können im Zugversuch getestet werden.

Die Zugfestigkeit kann über den Kohlenstoffanteil im Stahl variiert werden, denn von diesem hängen Härte und Zugfestigkeit ab. Ist der Kohlenstoffanteil höher, so besitzt Stahl mehr Zugfestigkeit und Härte. Dies geht jedoch auf Kosten der Zähigkeit (Duktilität), die mit steigenden Kohlenstoffwerten abnimmt. So steht eine Variable zur Verfügung, mit deren Hilfe der Werkstoff an die jeweiligen baulichen Erfordernisse angepasst werden kann.

Technische Baubestimmungen für Stahl

Das Planen und somit auch das Bauen sind in Deutschland durch technische Baubestimmungen geregelt. Die im Folgenden kurz aufgeführten Bestimmungen wurden zum 01. Juli 2012 von den zuständigen Länderministerien veröffentlicht. Nicht nur diese regeln das Bauen mit Stahl: Zusätzlich sind die Bauordnungen der Bundesländer zu beachten. Bei den genannten Bestimmungen handelt es sich um Eurocodes, die der Harmonisierung der technischen Normen in Europa dienen.

– Eurocode 0 (DIN EN 1990): Grundlagen der Tragwerksplanung
– Eurocode 1 (DIN EN 1991): Einwirkungen auf Tragwerke
– Eurocode 2 (DIN EN 1992): Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken
– Eurocode 3 (DIN EN 1993): Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
– Eurocode 4 (DIN EN 1994): Bemessung und Konstruktion aus Verbundtragwerken aus Stahl und Beton

Was Architekten beim Planen mit Stahl beachten müssen

Wie so vieles im Bausektor sind auch Stahlerzeugnisse mit einer DIN reguliert. So unterscheidet die DIN EN 10079 zwischen Langerzeugnissen und Flacherzeugnissen. Für Entwurf und Konstruktion müssen Architekten und Bauingenieure über die lieferbaren Abmessungen dieser Stahlerzeugnisse Bescheid wissen. Diese Maße sind nämlich ebenfalls über Normen reguliert, sodass Planer einkalkulieren müssen, dass nicht jede architektonische Idee in Stahl umsetzbar ist. Daher ist es ratsam, die Abmessungen gebräuchlicher Stahlerzeugnisse sowie notwendiger Querschnittswerte bereits früh im Entwurfsprozess den Profiltafeln diverser Hersteller zu entnehmen. Es ist zudem zu beachten, dass nicht jeder von ihnen die gesamte Produktpalette anbietet. Für die Planung mit Stahl ist es in jedem Fall ratsam, sich im Vorfeld zu informieren, welche Profile überhaupt industriell massengefertigt verfügbar sind. Dies hat großen Einfluss auf die Umsetzung der eigenen Vorstellungen sowie die anfallenden Kosten. Alles über das Normalmaß Hinausgehende sind Sonderanfertigungen, die mit geradezu schwindelerregenden Aufpreisen einhergehen können.

Wirtschaftlichkeit

Stahl eignet sich durch seine Vielseitigkeit sowohl für Investorenbauten als auch für kreative Architektenbauwerke. Mit diesem Baustoff sind große Spannweiten ebenso möglich wie eine hohe Anzahl an Stockwerken. Für jeden Belang ist die industrielle Fertigung möglich. Wurde im Vorfeld genau geplant, passen die Teile optimal und müssen auf der Baustelle nur noch montiert werden. Die dadurch bedingte verhältnismäßig kurze Bauzeit wirkt sich positiv auf das Budget aus. Denselben Effekt hat die Möglichkeit der wetterunabhängigen Montage. Stahl ist zudem voll recycelbar, sodass das Material im Falle eines Rückbaus veräußert werden kann. Eine ökonomische Besonderheit gibt es bei Hallen aus Stahl: Hallen werden mitunter komplett verkauft, abgebaut und an einem anderen Ort wieder aufgebaut. Dieses Vorgehen ist mit Stahlbauten problemlos möglich.

Brandschutz

Stahl ist zwar ein nichtbrennbarer Werkstoff, er besitzt gemäß der DIN 4102 die Brandschutzklasse A. Dennoch ist zu beachten, dass Stahl bei einer Temperatur von über 500 °C seine Tragfähigkeit verliert. Darum müssen bereits während der Planung des Brandschutzkonzeptes entsprechende Brandschutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Als passiver Brandschutz, der zum Erreichen der notwendigen Feuerwiderstandsdauer beiträgt, kommen beispielsweise Plattenbekleidungen, Stahlverbundkonstruktionen oder Brandschutz durch Wasserkühlung infrage. Zudem ist viel Wert auf überlegtes Planen von Flucht- und Rettungswegen, Brandmeldeinstallationen, Sprinkleranlagen sowie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen zu legen.

Stahl und Nachhaltigkeit

Stahl ist ein Vorzeigewerkstoff, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Stahl kann ohne Schwierigkeiten mit großen Magneten aus einem Abrissgebäude entfernt und dem Recyclingkreislauf zugeführt werden. Stahlprodukte werden daher niemals zu Restmüll, sondern finden immer wieder Anwendung. Daher enthält zum Beispiel jedes Bauteil aus Stahl eine gewisse Menge des recycelten Materials. Um die Nachhaltigkeit des stählernen Werkstoffes zu betonen, sind Unternehmen und Verbände des Stahlbaus mit der Gründung der „Initiative nachhaltiger Stahlbau“ eine Selbstverpflichtung eingegangen.

Spannende Beispiele des Stahlbaus

Kuppel des Berliner Reichstagsgebäudes

Kuppel Reichstag Berlin |Foto: © Immanuel Giel, Wikimedia Commons

Kuppel Reichstag Berlin |Foto: © Immanuel Giel, Wikimedia Commons

Die Kuppel des Bundestagssitzes entstand aufgrund eines 1993 ausgeschriebenen Realisierungswettbewerbes. Das bekannte Büro Foster + Partners setzte sich mit seinem Entwurf der gläsernen Kuppel durch. Natürlich besteht sie nicht hauptsächlich aus Glas: Getragen wird das 23,5 Meter hohe Wahrzeichen Berlins von einem Stahlskelett, das aus 24 senkrechten Rippen und 17 waagerechten Ringen besteht. Die Masse an verbautem Stahl beträgt 800 Tonnen.

Eiffelturm in Paris

Eiffelturm | Foto: © Benh LIEU SONG, Wikimedia Commons

Eiffelturm | Foto: © Benh LIEU SONG, Wikimedia Commons

Das 324 Meter hohe Pariser Wahrzeichen ist ein beeindruckendes Beispiel des Werkstoffes Stahl. Dem Büro von Gustav Eiffel, das den Turm plante, ging es darum, mit einer vergleichsweise schlichten Konzeption die Windlast zu optimieren. Als Vorbilder für den Turm dienten Eisenbahnbrücken aus Eisenfachwerk.

Gina Doormann

Kommentare

Von Fine Veröffentlicht 22. März 2017 12:05 Reply

Vielen Dank für den Beitrag. Ich stimme zu, dass Stahl sehr vielseitig ist. Sowie beim Planen mit anderen Werkstoffen, ist auch beim Stahl vieles zu beachten. Ich habe nun online einen Stahlhandel in Dortmund gefunden: http://stahlhandel-juecker.de/stahlhandel/dortmund

Von Frank Veröffentlicht 23. Dezember 2017 10:34 Reply

Hallo und danke für den tollen Artikel.
Gutes Stahl ist schwer zu finden.
Ich werde mich hier informieren: http://www.bse-kehl.de/
VG Frank

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