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Industriearchitektur in Berlin

Herausforderung Industriekomplex – Industriearchitektur im Wandel der Zeit

Die aufkeimende Industrialisierung änderte die bis dahin gekannten Produktionsverfahren grundlegend und erforderte schlagartig neue räumliche Dimensionen für die Produktionsstätten. Lösungen für Heiz-, Gas-, Wasser-, Kraft- und Hüttenwerke, technische Großbauten, wie Fördertürme, Hochöfen, Schornsteine, Silos und Tanks, die Rohstoffgewinnung, Forschung, Fertigung, Lagerhallen, Verwaltungs- und Sozialbauten lieferte die sich entwickelnde Industriearchitektur, die sich genauso wie die Industrialisierung von Großbritannien über Frankreich nach ganz Europa und in die USA ausbreitete.

Die Industriearchitektur hat entscheidend die städtebauliche Entwicklung beeinflusst, orientierte sich anfangs an bestehenden Bauwerken, wie Schlösser oder Kirchen, und war Ausdruck des Repräsentationsbedürfnisses einzelner Industrieller. Mit der Zeit erfolgte ein Umdenken und die Industriebauten wurden zunehmend den jeweiligen Arbeits- und Fertigungsabläufen angepasst.

Eine inspirierende Quelle für die Industriearchitektur war der Bauhausstil, mit dem neuartige Baumaterialien, wie Stahlbeton, die Skelettbauweise, vorgefertigte Bauteile und großzügige Glasflächen vollkommen neue Möglichkeiten auftaten. Damit wurde die Industriearchitektur zum Experimentierfeld moderner Ausdrucksformen.

Die Industriearchitektur in Berlin

Die Berliner Industriearchitektur ist ein herausragendes Beispiel. Hier wurde das Zeitalter der innovativen Industriearchitektureingeläutet. Denn dem unaufhaltsamen Fortschritt konnten nur neue Gebäudefunktionen und riesige Fabrikanlagen gerecht werden. Die Industriebauten waren fortan in Berlin prägend und zogen den Bau neuer Wohnquartiere nach sich. Berlin dehnte sich so in alle Richtungen aus und wurde zum größten Industriestandort Europas, was die Hauptstadt bis 1980 blieb.

In Berlin lässt sich sehr eindrucksvoll die Entwicklung der Industriearchitektur verfolgen – von ihren Anfängen (wie „Schinkels Neuer Packhof“), als der Auftraggeber maßgeblich an der ästhetischen Gestaltung beteiligt war und klassizistische, historistische und Jugendstilelemente herangezogen wurden, bis hin zur Ära der Aktiengesellschaften, deren funktionale Gebäude die wirtschaftlichen Verhältnisse widerspiegeln sollten. Zwar fehlte dafür zunächst noch die gesellschaftliche Zustimmung, aber die neuen Entwürfe ließen hervorragend erkennen, wie Bauwesen und wirtschaftliche Produktionsmethoden zu einer harmonischen Einheit verschmelzen können.

Die AEG-Werke in Berlin

BERLIN, GERMANY - AUGUST 07, 2009: The AEG Turbinenfabrik (Turbine Factory) is an early model modern factory designed in 1909 by Architect Peter Behrens

BERLIN, GERMANY – AUGUST 07, 2009: The AEG Turbinenfabrik (Turbine Factory) is an early model modern factory designed in 1909 by Architect Peter Behrens

Die Industriearchitektur in Berlin steht in engem Zusammenhang mit dem Aufstieg des Metall- und Maschinenbaus, der Chemie- und Elektroindustrie, wie mit der von Emil Rathenau gegründeten AEG. AEG beschäftigte mit Peter Behrens einen Architekten, der für Gebäudeentwurf und -planung, den unternehmerischen Gesamtauftritt und das Produktdesign verantwortlich war. Peter Behrens Hand ist am über einen Kilometer langen AEG-Werk (1915) in Berlin-Oberschöneweide, an der „Montagehalle für Großmaschinen“ mit Glasdach und am wohl bekanntesten Bauwerk, der „AEG-Turbinenfabrik“ (1909) in Berlin-Moabit, deutlich zu spüren.

Die seit 1956 unter Denkmalschutz stehende „AEG-Turbinenhalle“ ist das wichtigste Industriegebäude der Hauptstadt, gilt mit ihrer klaren Linienführung, der Skelettbauweise, langgestreckten, verglasten Straßenfront, ihren polygonalen Giebeln, schweren Betoneckteilen und sich regelmäßig wiederholenden Seitenstützen bis heute als wegweisend in derIndustriearchitektur und als typischer Vertreter des Funktionalismus. Stahl, Beton und Glas sind die bestimmenden Baustoffe des massiven Hallenbaus, womit den modernen Fertigungsmethoden Rechnung getragen wurde. Die Erweiterung von 1939 wurde ebenfalls auf die Turbinenproduktion ausgelegt und dient heute noch Siemens als Gasturbinenwerk.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten Pfeilerfassaden die Berliner Industriearchitektur, die Peter Behrens bei der „Kleinmotorenfabrik“ mit monumentalen Halbrundpfeilern ausführte. Bei der „Montagehalle für Großmaschinen“ hingegen verzichtete er auf gliedernde Elemente, stattdessen gestaltete Behrens eine bündige Fassade aus Ziegeln, Glas und Stahl, was später die Neue Sachlichkeit aufgriff.

Die Anfänge der Industriearchitektur

Bei den „Borsigwerken“ lassen sich das Unternehmenswachstum und die Veränderungen in der Industriearchitektur unter reicher Verwendung von Schmuckelementen, wie Rundbögen und Pilaster, an einer über 30-jährigen regen Bautätigkeit von 1837 (erste Gießerei und Werkstatt) bis 1872 (Räderwerk) ablesen. Mit der „Schultheiss-Brauerei“ in Berlin-Moabit liegt ein Beispiel burgartiger Industriearchitektur, die das Stadtbild bis heute bestimmt, vor. Und die „Mälzerei Pankow“ gilt als die deutsche „Kathedrale der Industriearchitektur“, da die Schornsteine des kirchenartigen Bauwerks alles Umliegende überragten. Das ehemalige „Wasserwerk Friedrichshagen“ (1889 bis 1893) von Henry Gill in Berlin-Köpenick war einst das modernste Europas, wo die Funktionen räumlich streng getrennt, gruppiert und mit einer repräsentativen Schaufassade versehen wurden. Bemerkenswerte Industriebauten der Anfangsjahre sind außerdem die „Deutsche Niles-Werkzeugmaschinenfabrik“ in Berlin-Köpenick und das „Heizkraftwerk Moabit“ (1899 bis 1901).

Industriearchitektur nach der Jahrhundertwende

In der Nonnendammallee in Berlin-Spandau entstanden die Siemenswerke, die sich bis nach Berlin-Charlottenburg ausdehnen und einen eigenen Ortsteil, die Siemensstadt, bilden. Hieran lässt sich erkennen, wie stadtprägend dieIndustriearchitektur sein kann, für die hauptsächlich Karl Janisch und Hans Christoph Hertlein, der den „Siemens-Stil“ mit markanten Mehrgeschossbauten schuf, verantwortlich waren, denn das geographische Zentrum der Siemensstadt ist das Verwaltungsgebäude.

Der Klinkerbau des „Kraftwerks Klingenberg“ in Berlin-Lichtenberg war der bedeutendste deutsche Kraftwerksbau der 1920er-Jahre und seinerzeit das größte Elektrizitätswerk Europas mit vorbildlicher Organisation in sachlicher, zweckmäßiger Architektur, die dank ausdrucksstarker Details und verschiedener Mauerwerksverbände sehr lebendig wirkt und einen neuen Maßstab für Großkraftwerke setzte.

Hans Heinrich Müller entwarf eine Reihe von Berliner Umspannwerken. Das „Umspannwerk Wilhelmsruh“ (1925/26) weist als erstes expressionistische Architekturmerkmale auf, wobei jeder Funktion ein separates, dem Produktionsablauf entsprechendes Gebäude zugeordnet wurde.

Industriearchitektur im geteilten Berlin – Architekturwunder in Ostberlin

Die Industriearchitektur der Nachkriegszeit ist gekennzeichnet vom Wunsch nach Monumentalität und einem auffallenden Kontrast zwischen Fensterrastern und massiven Fassaden, angelehnt an den expressiven Baustil von Hans Heinrich Müller. Allmählich setzte sich aber ein modernes, westlich orientiertes Baukonzept durch. In dieser Umbruchzeit trat Egon Mahnkopf, ein bedeutender Industriearchitekt Ostberlins, erstmals als Hauptarchitekt auf. Mit dem Institut „Prüffeld für elektrische Hochleistungstechnik“ in Berlin-Friedrichsfelde setzte er das Entwurfskonzept mit gleichwertigen Funktionselementen souverän in mehreren Bauten um. In den 1960er-Jahren kamen neben Stahlbeton auch vorgefertigte, typisierte Wandelemente auf, die fortan so typisch für die DDR-Architektur waren und variationsreich eingebunden wurden.

Das imposanteste Werk Mahnkopfs in Zusammenarbeit mit Horst Stelzer ist der breite Stahlskelettbetonbau mit strenger Symmetrie der zwei, an den äußeren Seiten angeordneten Verdunstungshallen der Filterhalle des „Wasserwerks Berlin-Johannisthal“ (1965 bis 1967). Die Filterhalle zeigt, wie dem damaligen Trend zur Zusammenfassung der Bauteile folgend alle Funktionen praktisch in einem Gebäude vereint wurden. Bei der Rekonstruktion und Erweiterung des „Heizkraftwerks Klingenberg“ 1986 spiegelt sich die Tendenz der 1980er-Jahre, historische Architektur mit einfließen zu lassen, wider. So greifen Streifen rötlicher Fliesen die Klinkerfassade des Altbaus auf.

Moderne Industriearchitektur in Berlin

Das „EMR Industriegebäude“ mit individuellem ökologischem Konzept ist ein Bauprojekt für ein Hightechunternehmen, das HPLC-Säulen herstellt. Charakteristisch ist ein nicht ausgelastetes Grundstück, das eine Baureserve für den zukünftigen Expansionsbedarf darstellt. Wie sehr der Entwurf auf die Unternehmensabläufe eingeht, verdeutlichen die U-förmige innere Gebäudestruktur von industrieller Fertigung, Labor- und Verwaltungsflächen und die kreisförmige Anordnung von Anlieferung und Warenausgang. Ein transparenter Eingangsbereich, Erschließungsbrücken zwischen den Flügeln sowie ein vom Unternehmensprodukt inspirierter Lichthof sorgen für Spannungsmomente.

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Industriearchitektur in Hamburg: zwischen Produktion und Umnutzung

Wer an Industriearchitektur denkt, dem fällt vermutlich zunächst das Ruhrgebiet ein – nicht aber Hamburg. Damit tut man der altehrwürdigen Hansestadt jedoch unrecht. Zwar war die Stadt an Alster und Elbe nie eine Industriestadt im eigentlichen Sinne – nichtsdestotrotz besaß sie Industrie. In der Zeitung ZEIT vom 14. Januar 1954 stand sogar geschrieben: „Ein Vergleich der industriellen Produktion der Hansestadt Hamburg mit derjenigen anderer deutscher Industriestädte zeigt, daß die Hamburger Industrie mit beachtlichem Vorsprung an erster Stelle steht.“

Brauereien, Tuchfertigung, Mühlen und Metall

Bereits seit dem Mittelalter waren in Hamburg Brauereien aktiv, die jedoch eher Vorläufer der großen Traditionsbrauereien waren, die nach 1850 entstanden. Eine weitere frühe Industrie Hamburgs waren Zuckersiedereien, die Rohrzucker verarbeiteten. Von ihnen und ihrer Architektur ist jedoch nichts mehr geblieben.

Wassermühlen, die es bereits um 1235 an der heutigen Binnen- und Außenalster gab, waren Vorläufer der Großmühlen, die den baulichen Eindruck Altonas, Wilhelmsburgs und Harburgs prägten. Das Tuchgewerbe war aufgrund des Überseehandels eine zweifelhafte Industriesparte, die neben dem Baumwollhandel am Sklavenhandel beteiligt war. Die Tuchindustrie prägte mit den zugehörigen Bauten vornehmlich den Stadtteil Wandsbek.

Ein wesentlich nachhaltigerer Industriezweig, der in Hamburg Fuß fasste, war die Metallerzeugung. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden Hochöfen und Eisengießereien. Eine von ihnen war der heutige Großkonzern Aurubis AG, ehemals Norddeutsche Affinerie AG. Ihre Fertigungsstätte liegt auf der Veddel und erinnert auf unästhetische Art an eine Chemiefabrik.

Zeugnisse vergangener Industrie in Hamburg

In Bahrenfeld, Altona und der Speicherstadt finden sich zahlreiche weitere architektonische Relikte Hamburger Industriestätten. Heute sind sie allerdings umgenutzt, überwiegend durch Büros und Gastronomiebetriebe, die das besondere Ambiente schätzen. Das Industriedenkmal Stilwerk in der Nähe des Altonaer Fischmarktes ist solch ein Beispiel. In dem sechs- bis siebenstöckigen Klinkerbau wurde bis 1992 Malzbier gebraut. Die Mälzerei war 1907, bei ihrer Fertigstellung, eine der ersten Stahlbetonskelett-Konstruktionen Deutschlands. Die Fassade ist mit Blendbögen und Schmuckbändern verziert – so ist sie ein Zeugnis vom wirtschaftlichen Wohlstand der damaligen Zeit. Heute befindet sich in der ansprechend umgenutzten ehemaligen Mälzerei mit Stilwerk ein Kaufhaus für hochwertige Innenausstattung, Design- und Lifestyleartikel.

Stilwerk a

Stilwerk mit Brücke. Foto: Gina Doormann

Gegenüber dem heutigen Stilwerk, direkt an der Wasserfront der Elbe, steht das wuchtige Gebäude der ehemaligen Getreidemühle von Heinrich Wilhelm Lange & Co. Im Jahre 2001 bauten Jan Störmer Architekten den sechsstöckigen Bau um: Er behielt seine Klinkerfassade und in der Aufstockung aus Glas entstanden hochwertige Wohnungen.

Stilwerk b

Ehemalige Getreidemühle. Foto: Gina Doormann

Das preisgekrönte U3-Viadukt

Wer die Große Elbstraße mit Stilwerk und ehemaliger Getreidemühle hinter sich lässt, bewegt sich auf ein weiteres – im weitesten Sinne – Stück Hamburger Industriearchitektur zu. Da der der Ingenieurbau zweifelsohne ein Inbegriff des Industriebaus ist, gehört das Viadukt der Hochbahn-Linie U3, vor rund 100 Jahren gebaut, dazu. Auf dem letzten Stück vor der Haltestelle Baumwall folgt die Konstruktion eindrucksvoll der Momentenlinie.

U3 Viadukt alt

Altes Viadukt. Foto: Gina Doormann

Damit endet der Weg des alten Schienennetzes. In 2010 wurde die alte Binnenhafenbrücke der U3 ausgetauscht. In diesem Zuge wurde die gesamte Brückenkonstruktion inklusive Stahlüberbauten, Stützpfeilern und Tiefgründungen komplett erneuert.

U3 Viadukt neu

 

Neues Viadukt. Foto: Gina Doormann

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