Architektur im Einklang mit der Natur – Architektenporträt Tadao Ando

  • Von Gina Doormann
  • Veröffentlicht 10. Juni 2015
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Tadao Ando | CC © Christopher Shriner

Tadao Ando | CC © Christopher Shriner

Der japanische Architekt Tadao Ando ist zwar Pritzker-Preisträger, bewegt sich aber fernab des Verhaltens, das andere seines Standes an den Tag legen. Nichts Pompöses, betont Auffälliges oder Attidüdenhaftes prägt ihn und seine Architektur. Vielmehr ist es die stille Kommunikation seiner Bauten, die auf Menschen wirkt.

Hyogo Prefectur al Museum of Art | CC © 663 Highlander

Hyogo Prefectur al Museum of Art | CC © 663 Highlander

Ando versteht Architektur als vermittelndes Element. Sein favorisierter Baustoff ist feinster Sichtbeton – kein Material, dass selbst etwas Strahlendes besitzt. Erst der Entwurf des japanischen Architekten macht aus dem grauen Baustoff auf der gestalterischen Grundlage reiner Geometrie etwas Besonderes. Das Bewusstsein, mit dem Tadao Ando Licht und Schatten einsetzt, schafft ein Gefühl der Teilhabe am Genius loci. Andos ideale Architektur kommuniziert sein Gespür für den Dialog von Gegensätzen: Innen/Außen, Einfachheit/Komplexität, Abstraktes/Konkretes. Die Aufzählung lässt sich nahezu beliebig fortsetzen.

„Symbiose von Kunst und Architektur“

Der strikt mit Hand und ohne CAD zeichnende Ando betrachtet das Bauen nicht als Schaffen von Räumen. Nach seinem Verständnis teilt er durch Wände ein Stück des allseits anwesenden Raumes ab. Um Nutzern dieses Gefühl bewusst zu machen, lassen sich bei Ando nur äußerst selten prominent platzierte Eingänge finden. Oftmals hat das Betreten eines von Ando geplanten Gebäudes eher etwas von einem heimlichen Hereinschleichen durch den Nebeneingang. So ist der Vorgang des Eintretens ein Sinnbild für Andos Begriff von Architektur: Er schafft lieber Dialoge als Trennlinien. Das Erkunden des Weges beim Hereinkommen ist Kommunikation mit dem Gebäude.

Ungewöhnlicher Werdegang

Wo Porträts anderer Architekten aufzählen, welche Universitäten, Schulen oder Lehrmeister sie zu den Berühmtheiten machten, die sie sind, steht bei Tadao Ando etwas anderes. Er hat niemals studiert, sondern ist stattdessen ein begnadeter Autodidakt. In seiner ersten Karriere als Profiboxer hat Ando gelernt, was Ehrgeiz und Durchhaltewillen bedeuten. Ohne Frage haben diese Eigenschaften ihn angespornt und unterstützt, als er sich sämtliche Literatur über Architektur in Eigenregie aneignete. Seine Sportlerkarriere beendete Tadao Ando, bevor er von 1965 bis 1969 auf eine Weltreise ging, um sich Bauten in der ganzen Welt anzusehen und dazuzulernen.

In dieser Zeit sah er zahlreiche Bauwerke, wovon einige einen besonderen Eindruck bei ihm hinterließen. Hierzu gehört das Pantheon in Rom.

Pantheon Rom

Pantheon Rom

Ando war fasziniert davon, wie das Licht durch das Opaion am Scheitelpunkt der gewaltigen Kuppel den Innenraum erhellt. Die Möglichkeit, Licht zu lenken, muss den japanischen Architekten so sehr beeindruckt haben, dass es heute maßgeblicher Bestandteil seiner architektonischen Handschrift ist. Das bewusste Führen von Helligkeit, um Räumen ganz eigene Anmutungen zu verleihen, beherrscht Ando meisterhaft.

Church of Light | CC © Magnus Manske

Church of Light | CC © Magnus Manske

Die Kirche des Lichts ist Teil von drei christlichen Bauten, die Tadao Ando den Elementen Wasser, Wind und Licht widmete. Sie waren in den 1980-er Jahren ein wichtiger Schritt für Andos internationale Anerkennung.

Le Corbusier: Vorbild Andos

Auf seinen Reisen begegnete Tadao Ando auch Werken von Le Corbusier. Dessen konsequentes Verwenden von Beton sowie der minimalistische Stil des Franzosen hinterlassen gut sichtbare Spuren in Andos Schaffen. Besonders beeindruckt war der damals junge Mann von dem Kloster Saint-Marie de la Tourette bei Lyon und dem Chapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp. Letztere machte ihm seine originäre Anforderung an Architektur bewusst: das Versammeln von Menschen und deren aus dem Aufeinandertreffen resultierende Interaktion. Die vor allem in ihren Werkstoffen zurückhaltenden minimalistischen Bauten des Brutalismus prägten Andos Architektur zutiefst.

Chapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp

Chapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp

Geprägt durch die Wohnsiedlungen von Bruno Taut

Auf seiner Studienreise begegnete Tadao Ando den Berliner Wohnsiedlungen Tauts. Ihn berührte die Bedeutung des Neuen Bauens für die einfachen Arbeiter. Die schlichte Ausstattung dieser Architekturströmung, ihr bewusster Einsatz von Licht und die Verwendung neuer Baustoffe hinterließen Spuren in Andos Architektursprache. Ebenso wie die Wohnbauten von Bruno Taut sind auch Andos Entwürfe in erster Linie für die Menschen geplant, die diese Räume künftig nutzen werden.

Siedlung Schillerpark von Taut | CC © Marbot

Siedlung Schillerpark von Taut | CC © Marbot

In dem Jahr, in dem Ando seine Architekturreise beendete, 1969, gründete er sein Büro „Tadao Ando Architect & Associates“, das er bis heute erfolgreich in Osaka führt. Die besondere Architektur von Tadao Ando wurde mehrfach ausgezeichnet. Der Japaner erhielt beispielsweise 1995 den Pritzker-Preis, wurde 1997 Ehrenmitglied des BDA und nahm 2002 den Kyoto-Preis entgegen. Besonders Letzterer würdigt Andos Architektur als Kunst.

Andos wirtschaftliche Betrachtung von Architektur

Heutige Architekturstudenten lernen, dass Gebäude Wirtschaftsgüter sind, denen kaum eine Lebensdauer von 50 Jahren zugestanden wird. Tadao Ando betrachtet diese Entwicklung kritisch. Für den japanischen Architekten zählt Architektur keinesfalls zu den Konsumgütern. Er möchte hingegen, dass seine Architektur 100, 200 oder noch mehr Jahre überdauern kann. Dies ist die Prämisse, unter der er plant und baut.

Bauten von Tadao Ando

Im folgenden wird eine kleine Auswahl von Andos umgesetzter Architektur vorgestellt. Diese Auswahl zeigt die Konsequenz, mit der Ando seine Handschrift auch in der Vielfalt seiner Werke beibehält.

Reihenhaus in Sumiyoshi

Der Einfluss des Neuen Bauens und Bruno Tauts auf Andos Arbeit wird an dem bekannten Reihenhaus in Sumiyoshi sehr deutlich. Nicht nur dessen Architektur, sondern auch seine Lage – Sumiyoshi ist ein von Arbeitern geprägter Vorort von Osaka – zeigen Andos Nähe zu dem deutschen Architekten. Für das Haus stand nur eine sehr enge Baulücke zur Verfügung, das Budget des Bauherrn war ebenso begrenzt. Die Konsequenz aus diesen Voraussetzungen sowie Andos Vorliebe für Sichtbeton schufen das kleine Haus, das gerade durch seine Einfachheit bezaubert.

Azuma House

Azuma House | CC (c) Oiuysdfg

Ando schuf mit der Adaption einfachster geometrischer Mittel ein spannendes Erschließen des Gebäudes. Um ins Schlafzimmer zu gelangen, müssen die Bewohner mithilfe einer Brücke den Innenhof überqueren. Der Innenhof ist nicht nur offene Fläche, die zu überwinden ist: Er ist der Bereich, zu dem sich das Haus öffnet und stellt somit ein Beispiel für Andos angestrebte enge Verbundenheit zwischen Architektur und Natur dar.

Langen Foundation

Dass Tadao Ando nicht nur ein großer Architekt, sondern auch Künstler ist, stellt sein Projekt „Langen Foundation“ unter Beweis. Das Gebäude zählt zu der privaten Kunststiftung von Marianne Langen. Diese wurde 2002 von der rheinischen Kunstsammlerin gegründet, um der Öffentlichkeit Zugang zu ihrer umfassenden Kunstsammlung zu gewähren. Unter ihren Stücken befindet sich eine der größten Sammlungen japanischer Kunst in Europa. Dass sie für ihr letztes Sammlerstück, das Stiftungsgebäude, einen japanischen Architekten beauftragte, liegt also nahe.

Langen Foundation | CC © Pelikana

Langen Foundation | CC © Pelikana

Mit Tadao Ando hätte die Sammlerin keinen Besseren für den Auftrag finden können. Das weiträumige Gelände einer ehemaligen Raketenstation am Niederrhein war das Baugrundstück. Hier sollten Kunst, Architektur und Natur miteinander verschmelzen. So konnte Andos besonderes Gespür für die Besonderheiten eines Ortes voll zur Geltung kommen. Er plante mit Beton, Stahl und Glas und schuf spannende Blickbeziehungen durch die Art, wie er Betonwände, Glasmäntel oder Betonriegel mit der Topografie des Ortes korrespondieren lässt.

Tadao Ando hat wie kein anderer Architekt das globale Bild japanischer Architektur geprägt. Er besitzt die Fähigkeit, Modernes mit traditionell-Japanischem zu vereinen. Diese Symbiose befähigt ihn zu seiner besonderen Architektur.

von Gina Doormann

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