Beton ist der meistverwendete Baustoff der Welt. Die erste Assoziation sind oftmals zweckmäßige Mehrfamilienhäuser oder Elemente des Tiefbaus. Doch Beton ist mehr als ein fantasieloser Standard-Baustoff: Designer gestalten Möbel aus ihm, Sichtbeton kleidet die Wände anspruchsvoller Wohnungen und selbst ein ganzer Stil − der Brutalismus − wäre ohne den vielseitigen Baustoff undenkbar. Beton ist ferner wortwörtlich die Grundlage spannendster Architektur – er ist standard für Fundamente.
Materialität Beton
Was ehemals ein sehr einfaches 3-Stoff-System aus Zement, Wasser und Zuschlag war, ist heute sehr komplex. Der Baustoff lässt sich durch verschiedene Zusammensetzungen an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen. Grundsätzlich ist er heute ein 6-Stoff-System, das aus Zement, Gesteinskörnung, Wasser, Zusatzmitteln, Zusatzstoffen und Luft besteht. Durch das Variieren ihrer Verhältnisse lassen sich unterschiedliche Eigenschaften erzielen.
Welche Eigenschaften machen den Baustoff Beton aus?
- Schall- und Wärmedämmung
- Flexible Einsatzfähigkeit
- Beständigkeit und Robustheit
- Natürliches Temperieren
- Sehr hohe Haltbarkeit (S. Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg)
- Hohes Maß an plastischer Formbarkeit
Klassifizierung von Beton
Die im Juli 2014 erschienene Betonnorm DIN EN 206 – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität legt Anforderungen für Beton fest. Diese gelten für den Einsatz in Ortbetonbauwerken, Bauwerken aus Fertigteilen und Fertigteilelementen für Gebäude und Ingenieurbauwerke. Die Betonnorm umfasst Normal- Schwer- und Leichtbeton.
Beton kann vielfältig eingesetzt werden. Gegliedert wird der Baustoff dabei nach folgenden Kriterien:
• Rohdichte
• Druckfestigkeit
• Verarbeitung
• Besondere Eigenschaften
Zur Verfügung stehen zahlreiche Betonarten. Im Folgenden sind beispielhaft einige wenige von ihnen aufgelistet:
• hochfester und ultrahochfester Beton
• säurebeständiger Beton
• Faserbeton (Stahlfaser, Glasfaser, Holzfaser)
• Leichtbeton
• selbstreinigender Beton
Besondere Betone
Um die Vielseitigkeit des Baustoffs Beton hervorzuheben, werden im folgenden einige Betonarten detaillierter vorgestellt.
Sichtbeton
Sichtbeton hat vielmehr eine ästhetische als eine konstruktive Funktion. Durch Schleifen und/oder Ölen kann der Baustoff einem Raum eine exklusive Anmutung verleihen. Er muss jedoch nicht immer glatt sein: Durch eine entsprechende Schalungsform kann den Oberflächen eine individuelle Optik verliehen werden. (s. u. Beispiel „Vorarlberg Museum“)
Faserbeton
In den Beton können verschiedene Fasern eingearbeitet werden, um spezielle mechanische Eigenschaften für besondere Anforderungen zu erhalten. Durch das Einarbeiten von Fasern verschiedener Materialität soll zudem die Zugfestigkeit des Betons verbessert werden. Durch den Zusatz von bspw. Glasfasern, Stahlfasern oder Kunststofffasern wird Rissen vorgebeugt.
Lichtbeton
Lichtdurchlässiger Beton entsteht durch das Hinzufügen von Glasfasern. Je mehr von ihnen verwendet werden, umso lichtdurchlässiger wird der Beton. Da ihr Anteil jedoch im Durchschnitt bei etwa 4 Prozent liegt, wird die Stabilität des Baustoffes nicht beeinträchtigt.
Ein beeindruckendes Beispiel ist die Lichtbetonfassade an der RWTH Aachen. Am Tage, ohne rückwärtige Beleuchtung, mutet die Fassade aus Beton von LUCEM wie Naturstein an. Bei Nacht ist eine eindrucksvolle mediale Bespielung möglich, die durch lichtleitende optische Fasern ermöglicht wird.
Leichtbeton
Dieser Beton hat ein Raumgewicht zwischen 800 und 2000 kg/m³. Das Beimischen von Gesteinskörnungen mit hoher Porosität ermöglicht solche Werte. Hierzu zählen sogenannte porige Leichtzuschläge wie Bims oder Blähton. Deren Luftanteil liegt bei bis zu 85 Prozent des Volumens von einem Korn. Leichtbeton hat sehr gute schall- und wärmedämmende Eigenschaften.
Brutalismus
Beton ist der kennzeichnende Werkstoff des Architekturstils Brutalismus. Bei diesem ist das Baumaterial – der rohe Beton – sichtbar: eine Hommage an die Baukonstruktion. Sie selbst prägt die Formensprache, nichts Weiteres ist notwendig. Die Bezeichnung Brutalismus stammt von dem französischen Ausdruck für Sichtbeton: béton brut. Ein Meister dieser architektonischen Strömung war Le Corbusier. Sein Schaffen wird hier im ArchitektenScout ebenfalls ausführlich dargestellt. Ein typisches Beispiel für seine architektonische Handschrift und den Brutalismus ist das Kloster Sainte-Marie de La Tourette in Éveux:
Was ist beim Bauen mit Beton zu beachten?
Es gibt einige Punkte, die beim Verbauen von Beton beachtet werden müssen. Zunächst spielt die Temperatur eine Rolle: Bei niedrigen Temperaturen werden die chemischen Prozesse derart verlangsamt, dass das Erhärten länger dauert. Bei heißen Temperaturen hingegen steift der Beton so schnell an, dass sich Risse bilden können. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Schalung sauber ist, die richtige Sieblinie der Zuschlagstoffe eingehalten wird oder dass der w/z-Wert (Wasserzementwert) stimmt. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, weitere Punkte sind zu beachten.
Brandverhalten von Beton
Beton hat grundsätzlich ein gutes Brandverhalten. Er ist ein nicht brennbarer Baustoff im Sinne der DIN 4102.
Bei Temperaturen, die während eines natürlichen Brandes eintreten (bis 1.000 °C):
• bleibt Beton weitgehend fest
• trägt Beton nicht zur Brandlast bei
• leitet Beton den Brand nicht weiter
• bildet Beton keinen Rauch
• setzt Beton keine toxischen Gase frei
• bleiben die Tragfähigkeitseigenschaften meistens erhalten
Beton und Nachhaltigkeit
Im Baustoff-Recycling findet Beton noch wenig Beachtung. Dennoch existiert bereits Recycling- oder RC-Beton. Hier wird gebrochener Naturstein oder auf natürliche Weise entstandener Kies durch eine recycelte Gesteinskörnung, d. h. aufbereiteten Bauschutt, teilweise ersetzt.
Diese RC-Gesteinskörnungen haben zwar ein etwas schlechteres Fließverhalten, weil die Gesteinskörnungen aus gebrochenem Altbeton schlechter fließen. Mit der Zugabe moderner Fließmittel, die auch „Superverflüssiger“ genannt werden, spielt das jedoch keine Rolle.
Recyclingbeton muss zukünftig an Bedeutung gewinnen, da herkömmliche Zuschlagstoffe wie Sand, Kies oder Kalkstein nicht nachwachsend sind. Durch das Recyceln von Beton kann der Bestand von Betonbauwerken auch in der Zukunft gesichert werden. Die Methoden des Betonrückbaus wachsen ebenfalls mit ihren Ansprüchen: Erschütterungsfrei, staub- und geräuscharm lässt sich heute Abbruchbeton gewinnen.
Interessante Beispiele des Betonbaus
Vorarlberg Museum
Das Büro Cukrowicz Nachbaur Architekten verlieh dem Neubau am Vorarlberg Museum mit der gewählten Fassadengestaltung eine künstlerische Anmutung. Zugleich ist sie ein eindrucksvolles Beispiel für den Werkstoff Sichtbeton und die gestalterischen Möglichkeiten, die spezielle Schalungen bieten. Im Fall des Bregenzer Museums wurde die Schalung mithilfe der Böden von PET-Flaschen geschaffen. Der Sichtbeton wirkt nun, als sei er mit etlichen Betonblüten verziert.
Phaeno Wolfsburg
Der Wissensraum, der das Phaeno Wolfsburg beherbergt, wurde von der Pritzker-Preisträgerin Zaha Hadid entworfen. Seine Formensprache war nur durch den Einsatz hochmoderner Materialien möglich. Hierzu zählte neben einer komplexen Schalungsgeometrie auch selbstverdichtender Beton. Nicht nur die Fassade wurde aus Beton gestaltet: Auch im Inneren findet sich großflächig Sichtbeton mit unterschiedlichsten Kubaturen.
Haus Azuma von Tadao Andō
Die Entwürfe des japanischen Architekten und Pritzker-Preisträgers Tadao Andō prägt der konsequente Minimalismus. Sein bevorzugter Werkstoff ist sehr feiner Sichtbeton. Das in Osaka gelegene Haus Azuma ist ein frühes Werk von Andō und zugleich eines seiner bekanntesten. Markant an diesem Bau ist seine fensterlose, aus Beton bestehende Front. Fensteröffnungen existieren ausschließlich zum Innenhof.
Gina Doormann
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