Das Auflösen der Raumgrenzen macht den besonderen Reiz von Glas in der Architektur aus. Bereits bei gotischen Kirchenfenstern sieht man das Spiel zwischen Transparenz und Transluzenz, das mit unterschiedlichen Verarbeitungen und Bearbeitungen des Glases erreicht werden kann.
Wenn wir von Glas sprechen, so meinen wir meist das durchsichtige oder zumindest durchscheinende, künstlich hergestellte Material, aus dem beispielsweise Fensterscheiben gefertigt werden. In der Physik ist Glas der Begriff für einen physikalischen Zustand, den auch Glasfasern oder Schaumglas besitzen und der in der Natur vorkommen kann.
Naturglas entsteht beispielsweise bei Vulkanausbrüchen (z.B. Obsidian), bei Meteoriteneinschlägen (ektites und diaplektisches Glas) oder bei Blitzeinschlägen als Fulgurite. Die Entdeckung von künstlichem Glas verdanken wir einem Zufall. Es entstand aus kalkhaltigem Sand und Natron beim Brennen von Krügen.
Herstellung
Glas wird durch das Erhitzen einer Mischung hergestellt, die zum Großteil aus Siliziumoxid (Quarzsand) und Natriumcarbonat (Soda) besteht. Die gewonnene Schmelze erstarrt amorph, also ohne Kristallbildung. Durch die Beigabe von Zusätzen lassen sich die Eigenschaften des Glases beeinflussen.
Im Bauwesen wird häufig Kalk-Natronglas und Borosilicatglas verwendet. Borosilicatglas ist besonders chemisch und thermisch beständig und wird entsprechend als Brandschutzglas eingesetzt.
Basisglas
Gläser, die ihre Form und Oberflächenstruktur im heißen Zustand erhalten, nennt man Basisgläser. Am häufigsten wird Floatglas verwendet. 1959 wurde es vom britischen Glashersteller Pilkington erfunden und ermöglicht seitdem die Produktion von flachen, durchsichtigen, nahezu planen Gläsern in großer Stückzahl. Bei der Herstellung wird die Glasschmelze über ein Zinnband geführt, wo sie gleichmäßig und eben aushärten kann.
Andere Basisgläser sind Gussglas bzw. Walzglas, die im Guss- bzw. Walzverfahren produziert werden. Dabei wird die Glasschmelze durch eine oder mehrere Walzenpaare geformt. Beispiele sind Drahtglas oder Ornamentglas, welches durch die Walzen geprägt wird.
Glassteine, Betonglas und Glasdachsteine werden aus Pressglas hergestellt und zählen ebenfalls zu den Basisgläsern. Bei diesem Verfahren wird die Glasschmelze zu einem Glaskörper geformt und anschließend werden zwei Formen zu einem Glashohlkörper gepresst.
Funktionsglas
Brachte Glas früher noch energetische Probleme mit sich, können heute leistungsfähige Sonnen- und Wärmeschutzgläser verwendet werden. Diese und andere Funktionsgläser werden für spezifische Einsatzzwecke gefertigt. Sie wurden in ihrer chemischen Zusammensetzung verändert, physikalisch (z.B. thermisch) bearbeitet oder durch den Verbund mit anderen Materialien veredelt. Die folgenden Funktionsgläser werden häufig eingesetzt:
- Mehrscheibenisolierglas (MIG) besteht aus mindestens zwei Glasscheiben, die durch einen Randverbund gehalten werden und durch einen Luftzwischenraum (LZR) bzw. Scheibenzwischenraum (SZR) getrennt sind; dabei wird entfeuchtete Luft oder ein Edelgas (häufig: Argon und Krypton) eingeschlossen; der Wärmeschutz der MIG wird durch eine Beschichtung (Low-E-Schicht) der Glasoberflächen verbessert; eine spezielle Form der MIG sind Vakuumisoliergläser (VIG): durch ein Vakuum im Scheibenzwischenraum werden die Gläser modernen Wärme- und Schallschutzanforderungen gerecht,
- Einscheibensicherheitsglas (ESG) zerspringt bei Glasbruch in stumpfkantige Teile, die in großen Stücken miteinander verbunden bleiben; zudem ist das Glas durch die Erhitzung auf 600° C und die anschließende schnelle Abkühlung („Einfrieren“ des Spannungszustandes) wesentlich biegefester als andere Gläser und hält Temperaturschwankungen bis zu 150 K aus (Floatglas nur ca. 40 K),
- Verbundsicherheitsglas (VSG) besteht aus mindestens zwei Scheiben, die durch eine extrem reißfeste Folie aus Polyvinylbutyral (PVB) zusammengehalten werden; bei Glasbruch bleiben die Glassplitter an der PVB-Folie kleben; mehrschichtige Gläser, die durch eine nicht aus PVB bestehende Folie zusammengehalten werden, nennt man Verbundglas (VG); dieses genügt in vielen Fällen jedoch nicht den Anforderungen an VSG; VSG wird oft als Absturzsicherung, VG z.B. bei Photovoltaikmodulen eingesetzt,
- Für Schallschutzglas wird häufig der klassische Aufbau von Mehrscheibenisolierglas verändert, um den Schalldämmwert zu erhöhen; hierfür wird beispielsweise der Scheibenzwischenraum vergrößert oder auch Verbundsicherheitsglas oder Verbundglas mit speziellen Zwischenbeschichtungen verwendet.
Bauen mit Glas
Glas ist ein besonders spröder Baustoff, der bei Überbeanspruchung bricht. Deshalb ist beim Bauen mit Glas besondere Sorgfalt und Materialkenntnis notwendig. Insbesondere für Glaskonstruktionen müssen zahlreiche Normen und Richtlinien beachtet werden, deren Fülle den Umfang dieses Beitrags sprengen würde. Detaillierte Informationen finden Sie in den Linktipps und Buchempfehlungen.
Bauwerke aus Glas
Erweiterung des Städel Museums in Frankfurt am Main von schneider+schumacher Architekten. Für die begehbaren, kreisrunden Oberlichter (Durchmesser 1,5 bis 2,5 Meter) wurden – weltweit zum ersten Mal – sphärisch gekrümmte, kalt gebogene VSG-Scheiben verwendet.
Fassade der Mailänder Messe aus goldenen, grauen und bronzefarbenen ESG mit Sonnenschutzschicht von Architekten 5+1 AA. Sowie die Überdachung der Verbindungswege auf der Neuen Messe Mailand von Massimiliano Fuksas: eine Freiform als Glas-Stahl-Konstruktion.
Konzerthaus Harpa in Rekjavic vom Architekturbüro Henning Larsen und Batteríið Architects. Die wabenartige Struktur der Glasfassade des Konzert- und Konferenzzentrums wurde gemeinsam mit dem Künstler Ólafur Elíasson entwickelt. Sie reagiert mit wechselnden Farben auf unterschiedliche Sichtachsen, Licht und Wetter. Ein Detailfoto der Fassade wurde als Beitragsbild verwendet.
Buchempfehlungen:
- „Best of DETAIL Glas“ ISBN: 978-3-95553-202-4 Erschienen bei DETAIL (2014): http://shop.detail.de/de/best-of-detail-glas.html
- „Detail Praxis: Konstruktiver Glasbau“ ISBN: 978-3-920034-24-9 Erschienen bei DETAIL (2008): http://www.degruyter.com/view/product/201942
- „Glas als Tragwerk“ von Jan Wurm. ISBN: 978-3-7643-8234-6 Erschienen im Birkhäuser Verlag (2007): http://www.degruyter.com/view/product/201942
- „Glasbau Atlas“ von Christian Schittich, Gerald Staib, Dieter Balkow, Matthias Schuler und Werner Sobek. ISBN: 978-3764376321 Erschienen bei DETAIL (2006): http://shop.detail.de/de/glasbau-atlas-2-auflage.html
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Zur Autorin: Anett Ring ist Freie Fachjournalistin, M.A. Architektur und wissenschaftliche Autorin. Sie lebt und arbeitet als digitale Nomadin und konzipiert Websiten für Architekten. www.anettring.de
Glas hat die Menschen ja schon immer fasziniert. Gerade auch altes Glas, Götheglas, mungeblasenes Glas hat seinen ganz eigenen Charme. Sobald Glas farbig oder semitransparent wird, wird es richtig spannend.
Ich finde es sehr schade, dass die Kunst der Glasmalerei inzwischen so selten Anwendung findet. Die wenigen Künstler, die sich damit befassen, schaffen es dann oft nicht einmal, ihre Malereien selbst aufs Glas zu bringen, sondern lassen das andere für sie erledigen. – Wer sich Glasmaler nennt, sollte auch auf Glas malen können. – Aber das ist ein anderes Thema, das mich selbst viel zu sehr bewegt als dass ich das jetzt hier breit treten sollte ;D
Glas fasziniert und ist einfach ein schönes Material, denn Spiel mit dem Licht ist für uns Menschen doch immer etwas spektakuläres… ob es nun fehlt, im Überfluss da ist oder nur stellenweise auftritt. <3 Licht.
LG
Julia