Lebendig und äußerst populär – behaftet mit diesen positiven Attributen präsentiert sich dieArchitektur Holland. Das war schon im 17. Jahrhundert so. Und auch heute ist das immer noch Fakt. Dabei machen nunmehr auch gerade die jungen Architekten, die oftmals für einen modernen Avantgardismus stehen, von sich Reden. So avancierte Winy Maas mit seinem für die Expo in Hannover konzeptionierten Dünen-Wald-und-Blumen-Stapel quasi zum Popstar der internationalen Architektenszene. Allerdings – unbedingt schön sind die Bauten holländischer Architekten nicht immer. Sie wirkt vielmehr oftmals pragmatisch, manchmal sogar ruppig, aber eigentlich immer eigenwillig. Schließlich will die Architektur Holland nicht als Kunst wahrgenommen werden, sondern als ein ganzheitliches Konzept. Insbesondere die avantgardistischen Architekten sind bei ihren Entwürfen stets auf der Suche nach dem Ungewohnten. Dabei wird Nützliches nicht etwa behübscht.Ganz im Gegenteil. Die Architektur Holland sucht immer nach einem Zusatznutzen. Wie beispielsweise in Utrecht zu sehen. Dort wollten zwei beauftragte Architekten ein Fernheizkraftwerk ummanteln und verwandelten das Industriegebäude dabei gleich in ein Spielgerät. Jetzt steht es dort mit Noppen an der mit Gummi ummantelten Fassade und steht als Steilwand zur Verfügung, an die sich Freizeitsportler empor hangeln können. Ein exemplarisches Beispiel avantgardistischer niederländisches Architektur stellt aber die Stadt Groningen dar …
Architektur Holland: In Groningen sind zahlreiche avantgardistische Vorzeigeobjekte zu finden
In kaum einer anderen Stadt sorgt die Architektur Holland mit seinen avantgardistischen Zügen und Auswüchsen für einen derartigen Kontrast. Die architektonische Bauweise tritt in den Niederlanden und besonders in Städten wie Amsterdam, Rotterdam oder eben Groningen bewusst provokativ sowie auch betont innovativ, aber immer in einem gehörigen Maße selbstreflexiv orientiert, auf. So ist Groningen mit seinen rund 200.000 Einwohnern umgeben von plattem Land, von einem ehemals ausgedehnten Moor. Ringsum also kaum einmal eine nennenswerte Erhebung, geschweige denn eine Landschaftskulisse, die alleine für das Auge zumindest ein wenig Abwechslung bietet. Visuelle Abwechslung respektive einen Kontrast mit nachhaltigem Aha-Effekt bringt dafür aber die Stadt selbst ins Spiel. Dank einer sowohl überraschenden als auch eindrucksvollen avantgardistischen Architektur bietet Groningen derart viele architektonische Reizpunkte, dass das eher monotone Landschaftspanorama völlig in Vergessenheit gerät. Alleine der so bezeichnete Affenfelsen, der nahezu futuristisch am Stadtrand in den Himmel ragt, zieht sämtliche Blicke auf sich. Geradezu asymmetrisch konstruiert, wirkt die hier ansässige Zentrale des niederländischen Energiekonzerns „Gasunie“ wie ein zukunftsweisendes Mahnmal für die avantgardistischeArchitektur Holland.
„Gasunie“ auf der Affeninsel: Ein Bürokomplex mit avantgardistischer Orientierung
Entworfen bzw. gestaltet wurde das Gebäude vom Architekturbüro Alberts und Van Huut. Die beiden für die architektonische Konzeptionierung maßgeblichen Architekten, Ton Alberts und Max von Huut, vereinen in diesem Bauwerk modernste avantgardistische Bauideen. So kam es Ihnen vor allem auf ein organisches Grundprinzip an, das sowohl die menschliche Dimension als auch die eigentliche Bauform und -weise symbiotisch berücksichtigt. Ihr Konzept basierte dabei auf der Annahme, dass der menschliche Körper bzw. ein menschliches Individuum von insgesamt drei Schichten Schutz erfährt. Als erste Schutzschicht fungiert die Haut. Anschließend wird durch die Kleidung ein weiterer Schutzmechanismus aktiviert, bevor das Gebäude eine weitere Schutzhülle darstellt. Die beiden Architekten verfolgten dabei das architektonische Ziel, dass das Gebäude für den Menschen eine Art zweite Haut darstellt. Auf diesem Wege sollte erreicht werden, dass der jeweilige Bewohner bzw. die Nutzer von Räumlichkeiten eine besondere Harmonie mit dem Gebäude fühlen.
Organoleptische Eigenschaften des Gebäudes im Fokus
Der ganz spezielle Avantgardismus dieser Architektur Holland spiegelt sich vor allen in den organoleptischen Eigenschaften des Gebäudes wider. Formen und Farben sind dabei sowohl im Hinblick auf die Innen- und die Außenseiten als auch auf den Parkplatz und die Außenanlagen grundsätzlich in der Form gewählt, dass stets eine Verbindung zum menschlichen Dasein sowie zum menschlichen Körper gezogen werden kann. Die beiden Architekten verzichteten zum Beispiel weitgehend auf Elemente, Komponenten und Räumlichkeiten, die einen rechten Winkel aufweisen. Den Verzicht begründeten sie damit, dass schließlich auch der menschliche Körper komplett ohne rechte Winkel auskommt. Stattdessen fokussierten sie sich vornehmlich auf eine Art wellenförmige Liniengestaltung. Dies wirkt dann aber nicht nur architektonisch schick, sondern verfolgt einen klaren Plan. Die permanent wellenförmig geformten Wände in den zahlreichen Flurbereichen führten quasi allesamt in die zentrale Eingangshalle, die als Mittelpunkt des Objekts fungiert. Hier laufen alle Fäden zusammen. Aufgelockert mit Kaffee-Ecken, Warteplätzen und bestuhlten Nischen soll die Halle dabei einen Ort darstellen, in dem es eine Isolation von einzelnen Personen nicht gibt. Jeder soll jeden sehen können; die Eingangshalle ist quasi als Hort der unvermeidbaren Begegnung konzipiert. Die Architektur Holland zeigt hier ihr „menschliches“ Gesicht.