Im März 2016 hat Bundesbauministerin Barbara Hendricks eine sogenannte Wohnungsbau-Offensive beschlossen. Das bedeutet, alljährlich sollen künftig bundesweit 350 000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. Dieser „Bauboom“ ist im ganzen Land spürbar: in den Quartieren, in den Straßenzügen und selbstverständlich in den Architekturbüros. Auch die Bundesarchitektenkammer hat zu dem 10-Punkte-Programm des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen Stellung bezogen. Mit Stand 19.09.2016 zeigt die Wohnungsbau-Offensive Wirkung: Im Zeitraum Januar bis Juli 2016 gab es 26,1 % mehr genehmigte Wohnungen als im Vorjahreszeitraum, so das Statistische Bundesamt.
Wo so viel gebaut werden soll – insbesondere steht das Vorantreiben des sozialen Wohnungsbaus im Fokus – ist das Thema Kostenreduktion allgegenwärtig. Diese kann über die Instrumente Grundrisse, Konstruktionen, Wettbewerbsverfahren, Planungs- und Bauprozesse gesteuert werden. Doch hierbei haben Architekten keinesfalls freie Handhabe. Stets müssen sie einen Spagat zwischen ihren Rollen als Baukultur-Verfechter einerseits und Treuhänder des Bauherrn andererseits leisten. Insbesondere der kostengünstige Wohnungsbau setzt die linke und rechte Grenze der Planer besonders eng. Die bestehenden und laut Bundesarchitektenkammer dringend zu novellierenden Normen, Regelwerke, aber auch das Budget lassen nur sehr wenig Spielraum. Die Situation von Architekten erinnert oftmals an ein Dilemma. Wird sehr günstig gebaut, muss aus verschiedenen Gründen darauf geachtet werden, den städtebaulichen Aspekt nicht außer Acht zu lassen. Ist, wie es im sozialen Wohnungsbau nun einmal erforderlich ist, die Quadratmeterzahl pro Einheit geringer, so ist es umso wichtiger, das Quartier als Erweiterung des Lebensraums zu begreifen und dementsprechend zu gestalten. Weiterhin ist der Druck der stetigen Kostenoptimierung vorhanden. Da diese durch Optimierung von Flächen und Funktionen reduziert werden können, ist die Wahl in Sachen Typologie sehr beschränkt.
Großsiedlungen als Ergebnis von Einsparungen im sozialen Wohnungsbau?
Ein Ergebnis der Sparzwänge kann das Entstehen uniform wirkender Großsiedlungen sein. Sie sind die Fehler der Siebzigerjahre, in denen die Motivation des Wohnungsbaus eine ähnliche war wir heute. Die Großsiedlungen entstanden an den Stadträndern der Großstädte, Gettoisierung war die natürliche Folge. Wo viele aus gleich welchen Gründen sozial Schwache wohnen, wächst der Frust und mit diesem schlimmstenfalls die Kriminalität. Das soll heute, in Zeiten der Flüchtlingskrise, bereits durch geschicktes bauliches Vorgehen weitestgehend vermieden werden. Doch wie soll das gehen, wenn so viel Wohnraum auf einmal benötigt wird, mehr noch als bereits ohne die vielen Menschen, die „auf einmal“ ebenfalls hier leben möchten? Eine Idee wäre, auf das Bauen von Massenunterkünften zu verzichten, wo es nur irgend möglich ist. Stattdessen könnten kleine Einheiten in allen Stadtteilen von Großstädten geplant werden – dies wäre zugleich eine Möglichkeit, neue und frische Architekturideen zu denken und umzusetzen. Wichtig ist, die stadtplanerischen Fehler vergangener Tage nicht zu wiederholen, den Städten auch in Zeiten des Baubooms nicht ihre Identität zu nehmen. Die Uniformität der Großsiedlungen, insbesondere gebaut an der Peripherie der Städte, dort wo „keiner wohnen will“, dient ohne Frage in keiner Weise dazu, die Eigenheit und Ausstrahlung einer Stadt, die Schönheit eines Quartiers entstehen zu lassen oder zu bewahren. Ein Gefühl von Heimat und Zuhause entsteht dort, wo Besonderheiten eines Ortes, die kleinen Details es sind, die das Liebenswerte an ihm ausmachen.