Mobile Architektur

  • Von Jesco Puluj
  • Veröffentlicht 27. April 2017
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Der Begriff „Architektur“ erweckt in den Köpfen der meisten Menschen in der Regel ein Bild von ortsfesten Baukörpern. Sicher und massiv stehen sie unbeweglich in der Landschaft und verschwinden erst, wenn ihre materielle Komposition verwittert oder ihr Abriss entschieden wird.

Nur ein kleiner Teil unserer Gebauten Umwelt, der auch als Architektur bezeichnet wird, ist beweglich. Diese mobilen Architekturen werden für die verschiedensten Zwecke eingesetzt. Ob als Ferienbungalow, in der Tiny-House-Bewegung oder modular zusammengefügt als Unterkünfte gegen Wohnungsnot – mobile Architekturen werden überall da eingesetzt, wo vorübergehend und schnell Raum entstehen soll.

Die mobile Architektur hat daher Schnittmengen sowohl mit dem Fahrzeugbereich, als auch mit modularen Bauweisen.

Es bietet sich daher an, den Bereich in zwei Bereiche zu gliedern: Bauten, die beim Entwurf für die Beweglichkeit konzipiert wurden und Bauten, die durch einfache Zerlegbarkeit modularer Strukturen einfach auf- und wieder abgebaut werden können.

Bewegliche Bauten

Bei diesen Architekturen wurde in Entwurf und Konstruktion darauf geachtet, dass sie nach ihrer Fertigstellung ein -oder mehrmals bewegt werden. Das kann z.B. durch ein Traggestell mit Rädern passieren, aber auch durch schwimmende Pontons, wie beim IBA-Gebäude 2013 in Hamburg. Alternativ kann der Bau auch einfach angehoben und durch LKW-Transport versetzt werden, wie z.B. größere mobile homes (engl. für „Mobilheime“) ohne Achse in den USA. Dazu muss allerdings die Statik auf die beim Verladen auftretenden Kräfte bemessen sein. Oft treten dabei Lastfälle auf, die sich deutlich von den üblichen Lasten im alltäglichen Gebrauch unterscheiden.


IBA-Dock in Hamburg zur Internationalen Bauaustellung in Hamburg

Weitere Beispiele sind hier klassische Mobilheime, wie sie oft in Feriensiedlungen gefunden werden. Diese besitzen keine Straßenzulassung nach StVZO und müssen per LKW transportiert werden. Zum Rangieren vor Ort besitzen sie aber oft eine Achse mit Rädern. In manchen Gebieten der USA entstanden ganze Siedlungen, sog. trailer parks, aus diesen Bauten. Dafür gab es hauptsächlich finanzielle Gründe: Mobilheime sind in der Regel deutlich erschwinglicher als fest stehende Häuser. Außerdem wurden sie teilweise als Fahrzeuge besteuert, was die laufenden Kosten deutlich verringert.

 


Trailer Park in Florida, USA Am hellblauen Mobilheim ist noch eine Anhängerkupplung erkennbar

 

In Deutschland können Mobilheime auf Gebieten abgestellt werden, die speziell dafür ausgewiesen wurden, z.B. auf Campingplätzen. Eine Bebauung mit fest stehenden Bungalows ist dort oft nicht möglich oder nicht auf Dauer gewollt. Gleichzeitig möchte man aber möglichst hohen Wohnkomfort anbieten. Hierfür hat sich der Einsatz von Mobilheimen bewährt. Die Ausweisung der Gebiete erfolgt in der Regel über ein Bebauungsplanverfahren.

Die Tragstruktur von Mobilheimen besteht in der Regel aus möglichst leichten Materialien, meistens Holz-, ferner auch Stahlrahmen.

Die Materialität reicht vom Wohnwagen-Charakter mit Kunststoff-/Aluverkleidung bis zu holzverschalten Rahmenbauweisen, ähnlich wie bei konventionellen Holzrahmenbauten. Im Unterschied zum Wohnwagen sind die Innenräume in Mobilheimen flexibler. Nicht alles ist durch feste Einbauten vorgegeben, sondern Möbel können frei platziert werden.

Die Beläge können frei gewählt werden: Tapeten, Fußböden und Deckenverkleidungen können in Mobilheimen genau wie bei ihren ortsfesten Pendants eingesetzt werden.

Für eine gemütliche Unterkunft auch bei rauem Wetter sollten neben einer gut gedämmten Außenhaut die Fenster und Türen einen ausreichenden U-Wert aufweisen.

Obwohl baurechtlich ausgewiesene Gebiete für Mobilheime ausdrücklich der Erholung dienen sollen, gibt es immer wieder Fälle, in denen sich genannte „Dauercamper“ ihren Lebensmittelpunkt in ihr Feriendomizil verlagern und dort sesshaft werden. Behörden versuchen immer wieder, diese Verstöße gegen § 10 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu ahnden und die hartnäckigen Bewohner zu vertreiben. Es ist aber auch verständlich, dass jemand dauerhaft an seinem Erholungsort leben will.

Modulare Bauten

Modulare Bauten sind nicht per se mobil, können aber durch schnellen und einfach Auf- und Abbau innerhalb kurzer Zeit an einen anderen Standort gebracht werden. Ein archaisches Beispiel wäre hier das Zelt. Die Wohnbauten nomadischer Völker waren über Jahrtausende durch diese Logik geprägt: Die Zelte wurden immer dorthin gebracht und aufgebaut, wo das Volk vorübergehend leben sollte. Noch heute werden Zelte auf diese Art verwendet, z.B. für zeitlich begrenzt statt findende Veranstaltungen oder Aufführungen. Diese gelten baurechtlich als sog. fliegende Bauten. Das sind laut § 76 Musterbauordnung (MBO) „bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, an verschiedenen Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden“. Allerdings: Baustelleneinrichtung und Baugerüste fallen natürlich nicht unter diese Kategorie.

Das oben gezeigte Beispielprojekt „IBA-Dock Hamburg“ ist durch seine Schwimmfähigkeit sowohl selbst mobil, als auch aus einer modularen Struktur zusammengesetzt. Dadurch wäre es möglich, Teile des Gebäudes abzunehmen, z.B. um die Durchfahrt unter niedrigen Brücken zu ermöglichen. Oder auch, um sie andernorts einer anderen Nutzung zuzuführen.

In letzter Zeit sind in der Bundesrepublik vermehrt Containerwohnheime entstanden, um der Wohnungsnot durch plötzliche Wanderungsbewegungen entgegen zu wirken. Diese Unterkünfte bestehen aus Raummodulen, die durch Einhaltung der üblichen LKW-Transportmaße als Ganzes transportabel sind und zu einem größeren Gebäude zusammengefügt werden können. Sobald technische Infrastruktur angeschlossen wird, kann das Gebäude in Betrieb genommen werden. Theoretisch können die einzelnen Raummodule immer wieder in anderen Nutzungsszenarien wiederverwendet werden. Ob und wie oft das möglich ist, hängt letztendlich von ihrer Dauerhaftigkeit ab.

Fazit

Bei der Problematik um Dauerbewohner von Mobilheimen fällt auf, dass anscheinend Nachfrage nach kleinen, bezahlbaren Häusern im ländlichen Raum besteht. Diese Wohnform gruppiert sich in überschaubare Cluster, die in mancher Hinsicht altertümlichen Dorfstrukturen ähneln.

Dieses Phänomen wurde bereits im Artikel zur Tiny-House-Bewegung angedeutet und könnte vielleicht irgendwann dazu führen, dass sich Maßstäbe in Bebauungsplänen verkleinern, um solche Typologien ebenfalls zu beherbergen.

Fotos: NordNordWest/Wikipedia, Dr Zak/Wikipedia

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