Handskizze versus CAD – Grundlagendebatte der Architekturdarstellung

  • Von Gina Doormann
  • Veröffentlicht 23. Juli 2015
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Sie sind bezeichnend für die „alten Meister“der Architektur: von Hand gezeichnete Skizzen. Zudem sind sie Ausdruck der architektonischen Persönlichkeit und Handschrift zugleich. So ist beispielsweise eine Zeichnung von Frank O. Gehry so typisch, dass der Urheber sofort auszumachen ist. Hierzu wird gesagt, die Skizzen des kanadischen Stararchitekten erinnerten an ein zerknülltes Blatt Papier. Auch die Skizzen aus wenigen, prägnanten Linien des Oscar Niemeyer, Architekt von Brasilia, sprechen ihre eigene Sprache. Doch hat diese Art des Entwerfens noch eine Zukunft?

Architekt am Zeichentisch | Creative Commons

Architekt am Zeichentisch | Creative Commons

Der in sein Werk versunkene Architekt, mit dem Bleistift grübelnd über seinem Zeichentisch – dieses Bild scheint in der Realität immer blasser zu werden. Mit dem Auftreten von CAD (Computer Aided Design) scheint für Skizzen in Grafit kein Raum mehr zu sein. So werden sie bisweilen als romantisch empfunden – schön, aber realitätsfern. CAD-Zeichnungen hingegen seien effizienter, da sie beispielsweise duplizierbare Elemente enthalten, dem Architekten die mühselige Bemaßung weitestgehend abnehmen und geradezu fotorealistisch wirken.

CAD verdrängt den Zeichentisch

Den Trend zum Entwurf am Computer treibt auch die Ausbildung der heutigen Architekturstudenten. In dem aus dem Bologna-Prozess resultierenden gedrängten Studienaufbau ist nur Platz für Zielführendes. Da bleibt nur sehr wenig Raum für die intensive Auseinandersetzung mit dem Entwurf. Es wird ausgebildet, was der Markt vornehmlich braucht: das Handwerkszeug für ökonomisch ambitionierte Architekten. Und dieses ist in Zeiten des sich auf dem Vormarsch befindenden Investorenbaus nun einmal CAD. In diesem Zuge ist sogar eine neue Branche entstanden. Mittlerweile sind Büros, die sich ausschließlich auf die professionelle CAD-Visualisierung spezialisiert haben, etablierte Dienstleister für Architekturbüros. Und dennoch besitzt die Kunst der Handskizze auch − oder sogar besonders – im ökonomisch ausgerichteten Büro seine Daseinsberechtigung. Wenn ein Architekt dem potenziellen Bauherrn gegenüber sitzt und die Ausführung seiner Überlegungen zur Planung frei Hand und über Kopf zeitgleich zu Papier bringt, ist die Überzeugungskraft dieser Darbietung keinesfalls zu unterschätzen. So erhält man Aufträge!

Einige können es noch: Handskizze Architekturstudent 3. Semester

Einige können es noch: Handskizze Architekturstudent 3. Semester

Es ist also zu beobachten, dass junge Architekten nur noch in Ausnahmefällen zum Skizzenbuch greifen. Planer älteren Jahrgangs hingegen sehen nur vereinzelt ein, sich die neue Technik anzueignen, und bleiben beim Altbewährten. Doch wie stehen Architekten, die altersmäßig dazwischen liegen, zu der Entwicklung? Eine Aussage dazu trifft Andrea Nolte, Architektin und Kuratorin der Ausstellung „Skizzen von Hamburger Architekten – Handzeichnung versus Computer“. Sie schreibt in dem Ankündigungstext zur Ausstellung:

„Skizzen und Zeichnungen des Entwurfsprozesses sieht man selten, die Veröffentlichungen heute sind […] eher geprägt von einer Art Hochglanzästhetik.“

Sie selbst erlebe in ihrer Tätigkeit als Architektin den Umbruch von Handskizzen zu CAD-Zeichnungen mit gemischten Gefühlen. Durch den Wegfall der Handzeichnungen entfalle ein stückweit die Auseinandersetzung mit dem Entwurf.

CAD-Zeichnung per Hand bearbeitet | pixabay © stux

CAD-Zeichnung per Hand bearbeitet | pixabay © stux

Junge und alte Meister der Handskizze

In der Ausstellung, die im Rahmen des Hamburger Architektursommers 2015 stattfindet, werden originale Handskizzen von Hamburger Architekten verschiedener Jahrgänge gezeigt. Einige der Namen sind auch über die Grenzen der Hansestadt hinaus keine Unbekannten. Hierzu zählen etwa Bernhard Winking (*1934), Peter Wiesner (*1940) oder Sergei Tchoban  (*1962). Interessant an der Ausstellung ist die Darstellung des Veränderungsprozesses, den die Visualisierung des Architekturentwurfes durchmacht. Den älteren Architekten, die ohne Zweifel als Meister der Handskizze zu sehen sind, werden in dieser Ausstellung auch jüngere Kolleginnen und Kollegen gegenübergestellt, die ihnen folgen. So ist zum Beispiel die 1982 geborene Merle Zadeh eine junge Architektin, die Skizzenbuch und Bleistift virtuos beherrscht. Es ist spannend, ihren jugendlichen Stil, der anderen in den 1980-er Jahren Geborenen so vertraut ist, dem der Architekten aus der Kriegsgeneration gegenüberzustellen. Gleichzeitig ist sie ein Beispiel dafür, dass schlichtweg von Dauer ist, was durch Hochwertigkeit überzeugt.

Gina Doormann

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