„Und immer ein Atrium!“ Architektenporträt über Rem Koolhaas

  • Von Gina Doormann
  • Veröffentlicht 3. Juli 2015
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Architekt, Architekturtheoretiker und Pritzker-Preisträger: Der ehemalige Journalist Rem Koolhaas birgt viele Facetten in sich. Als Architekt ist er bekannt dafür, große („XL“-) Gebäude zu entwerfen. Als Theoretiker und Analyst macht er durch seine kritischen Auseinandersetzungen mit der Wirkung von Stadtbildern auf Menschen von sich reden.

Rem Koolhaas | © Rodrigo Fernandez, CreativeCommons

Rem Koolhaas | © Rodrigo Fernandez, CreativeCommons

Die erste berufliche Station des 1944 in den Niederlanden Geborenen war keinesfalls ein Architekturbüro. Stattdessen war er bis 1960 Journalist bei dem Wochenmagazin Haagse Post. Das erklärt seinen Hang zum Schreiben, dem er auch in seiner daran anschließenden Tätigkeit als Drehbuchautor nachging. Nun liegt es nahe, seinen architektonischen Hang zur Dramaturgie und dem immer wiederkehrenden unbedingten Erzeugen von Spannung darauf zurückzuführen. Für Koolhaas war sein beruflicher Werdegang kein Umweg – Architektur sei für ihn auch eine Art der Erzählung.

Architekturstudium in London und Fellowship in New York

Daher ist sein Entschluss, selbst Architekt zu werden, nur folgerichtig. Er studierte an der Londoner Architectural Association School of Architecture und stach bereits damals durch seine ungewöhnlich innovativen Ideen hervor. Diese verhalfen ihm zu einem Harkness Fellowship, das ihm ermöglichte, sein Studium in New York, am Institute for Architecture and Urban Studies fortzusetzen. Hier traf er auf seine Lehrmeister, den deutschen Architekten Oswald Mathias Ungers, sowie den US-Amerikaner Peter Eisenman.

Architekturtheoretische Schriften

Nicht nur der Einfluss seiner Lehrer, sondern vor allem das urbane Umfeld New Yorks fesselten Rem Koolhaas. Seine Faszination inspirierte ihn zum Schreiben seines Klassikers „Delirious New York: Ein retroaktives Manifest für Manhatten“, das er 1978 herausbrachte. In der Schrift plädiert Koolhaas dafür, dass die Architektur einen erheblichen Einfluss auf das Entstehen einer Kultur hat. Dieses Buch war das erste in einer Reihe von Publikationen, in denen Koolhaas sich intensiv mit Urbanismus auseinandersetzt. Eine weitere bekannte architekturtheoretische Arbeit von Rem Koolhaas ist das Essay „Die Stadt ohne Eigenschaften“. Dieser setzt sich mit zunehmendem urbanen Identitätsverlust durch gesichtslose Architektur auseinander. Ferner stellt er die Frage, ob diese „Neue Gesichtslosigkeit“ nicht auch Vorteile in sich birgt?

Gründung des Office for Metropolitan Architecture (OMA)

Die Architekturtheorie ist also ein grundlegender Bestandteil von Koolhaas` Schaffen. Nichts desto trotz ist er vor allem ein Architekt. Sein 1975 gegründetes Office for Metropolitan Architecture (OMA) spiegelt in seinem Portfolio die zwei Schwerpunkte wider. Es praktiziert Architektur von Weltrang, befasst sich überdies jedoch mit Urbanismus und Kulturanalyse. Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage hat das Büro sich zum Ziel gesetzt, für seine Gebäude und Masterpläne stets die Möglichkeit neuer Lösungen auszuschöpfen. Der Gegenpart zu OMA nennt sich AMO. Dieser „Thinktank“ befasst sich mit Bereichen, die teils über die traditionellen Grenzen der Architektur hinausgehen: etwa Medien, Politik, Soziologie oder Mode. Dennoch arbeiten beide Teile zusammen, wie etwa für Prada. Hier unterstützten die Erkenntnisse von AMO das Modelabel dabei, das Design seiner Flagstores zu optimieren.

Beispielhafte Architekturprojekte von Rem Koolhaas

Da Koolhaas trotz (oder wegen?) zahlreicher architekturtheoretischer Arbeiten vor allem einer der populärsten Architekten unserer Zeit ist, darf die Vorstellung einiger seiner Entwürfe nicht fehlen.

Frisch fertiggestellt: Kulturzentrum der Fondazione Prada in Mailand

Fondazione Prada | © clo.nob/Instagram

Fondazione Prada | © clo.nob/Instagram

Am 09. Mai feierte der Kulturcampus der Fondazione Prada Einweihung. Die Stiftung hatte erneut Rem Koolhaas beauftragt, der sich bereits 2001 mit dem Flagship-Store des Design-Labels in New York verdient gemacht hatte. Er griff den Genius Loci der ehemaligen Schnapsbrennerei auf und tat das, was er am besten kann: Spannung erzeugen. Mit einem gekonnten Mix aus Durchbrüchen, Erweitern und Erhalten entstehen Einblicke und Perspektiven, die einen Architekturspaziergang über das Gelände bereichern. Das höchste Gebäude des Areals sticht nicht nur durch seine turmähnliche Höhe hervor. Das augenfälligste ist die komplette Verkleidung mit Blattgold, die einen bestechenden Kontrast zu ihrer überwiegend historischen Umgebung darstellt. Dieses „Haunted House“ wurde geschaffen, um in seinem Innern dreidimensionalen Kunstobjekten die Bühne zu geben, die sie verdienen.

Hauptquartier des staatlichen chinesischen Fernsehsenders CCTV in Peking

Fernsehsender CCTV | © poeloq CreativeCommons

Fernsehsender CCTV | © poeloq CreativeCommons

Im Jahre 2008 wurde das Äußere der Sendezentrale fertiggestellt. 2012 konnte auch der Innenausbau abgeschlossen werden. Das von Rem Koolhaas und Ole Scheeren geplante Hochhaus ist eines der größten Bauten der Welt. Es streckt sich nicht, wie sonst bei diesem Gebäudetypus, in die Höhe, sondern legt seine 750 Meter Länge in eine anmutige Schleife. Trotz − oder gerade wegen – seines imposanten Äußeren geriet der Pekinger Bau immer wieder in die Kritik westlicher Medien. Wie man einem solchen Regime auch noch ein Statussymbol seiner Macht entwerfen könne, wurde gefragt. Zumindest Scheeren sah stets darüber hinweg. 2010 geriet der CCTV-Tower dann erneut in die Öffentlichkeit: Der Bauleiter des Fernsehsenders soll mit illegalem Feuerwerk gezündelt haben, woraufhin das Nachbargebäude in Brand geriet und ein Feuerwehrmann ums Leben kam. Das eigenwillige Gebäude ist also nicht nur durch seine Kubatur, sondern auch durch die es umrankenden Geschichten ein Spiegelbild des unangepassten Rem Koolhaas.

Rem Koolhaas und die Hamburger HafenCity

Modell ScienceCenter HH | © MissyWegener, CreativeCommons

Modell ScienceCenter HH | © MissyWegener, CreativeCommons

Der niederländische Architekt hätte 2006 eigentlich gerne das SPIEGEL-Gebäude in Hamburgs HafenCity geplant, erhielt aber nicht den Zuschlag. Stattdessen baute das dänische Architekturbüro Henning Larsen den Sitz des renommierten Nachrichtenmagazins. Doch die HafenCity, als „Disneyland der Stararchitekten“, verzichtet in ihrer Sammlung dennoch nicht auf einen Bau des niederländischen Pritzker-Preis-Trägers. Sein Beitrag zu den Architektur-Highlights an der Elbe wird – direkt neben der HafenCity Universität – das „Science Center“ in Form eines „O“s sein. Es wird als eine Art Flirt mit dem gegenüber liegenden, rauen Hafenareal aussehen, als bestünde es aus gestapelten Kisten.

Auseinandersetzung mit der Ruhrgebietskultur: Masterplan für die Zeche Zollverein

Zeche Zollverein | © Spyrosdrakopoulos, CreativeCommons

Zeche Zollverein | © Spyrosdrakopoulos, CreativeCommons

Das Büro OMA präsentierte im Februar 2002 einen Masterplan für die Zeche Zollverein in Essen. Hierfür setzte das Büro von Koolhaas sich intensiv mit der Geschichte und Identität des Ruhrgebiets auseinander, das nach dem Ende der Kohleförderung 1986 vor einem Umbruch stand. Das Ergebnis der Untersuchungen war ein Plan, der maßgeblich dazu beitrug, dass die alte Zeche ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Das von OMA angedachte Vorhaben sah vor, die industriegeschichtliche Identität des Ortes zu bewahren und ihn zugleich für Kulturveranstaltungen und Besucher zu öffnen. Hinzu plante das Büro aus Rotterdam den Bau hochwertiger neuer Gebäude rund um das Gelände, für deren Umsetzung ein Wettbewerb ausgeschrieben werden sollte. So gelang die Entwicklung eines Kulturstandortes, der dem „Wunderwerk der Rationalisierung“ von 1932 und seinen Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer Rechnung trägt.

Gina Doormann

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