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Die aktuelle Entwicklung der Architektur

  • Von op
  • Veröffentlicht 13. März 2015
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Die aktuelle Entwicklung der Architektur unter
dem Einfluss von Massenmedien und Zeichenwerkzeugen

Eine Betrachtung des Berliner Architekten Matthias Brandner

Ausgangslage

Sehen wir uns in den Städten, an Stränden, in Bussen, Bahnen, Restaurants um, so sehen wir viele Menschen, die auf die kleinen Bildschirme Ihrer Smartphones oder Tablets schauen – darauf drücken, schreiben und schieben. Es werden unzählige Botschaften ausgetauscht, es werden Produkte angesehen und gekauft, es werden Banküberweisungen durchgeführt und vor allem Millionen von Internetpräsentationen, Bilder von anderen Nutzern und ganze Weltbilder angesehen. So kann man über Dienste wie Maps von Google in vielen Ländern, Landschaften und Städten spazieren gehen und die Bilder vor Ort durch viele weitere Videos auf Plattformen wie youtube ergänzen und erweitern.

Fast alles kann also an ganz vielen Orten der Erde angesehen und erkundet werden. Jetzt kann man zwei Strategien wählen: möchte man, weil man neugierig und interessiert ist, die Orte, Landschaften, Menschen und Architekturen Live und in Natura erleben und erkunden – oder aber, ist es vielmehr so, dass die Reiselust schon gerade durch den immensen Konsum der Bilder und Filme schon befriedigt wird?

Wir werden hier in diesem Essay nicht Antworten, Auswege oder Lösungen bieten, wie die Menschen und insbesondere junge heranwachsende Menschen mit der Verwendung und Auswertung umgehen können oder sollten.

Einfluss der Zeichenwerkzeuge

Wir richten den Fokus auf den Konsum von Architekturbildern, künstlich erstellten Perspektiven, Schaubildern und Animationen, die der Vermarktung und Phantasieanregung dienen. Wichtig sind dabei die technisch brillanten Möglichkeiten, die durch die aktuellen Zeichenprogramme für Architekten (Computer Added Design/ CAD), den allgemein zugänglichen Programmen wie SketchUp oder Spezialprogrammen wie Photoshop gegeben sind.

Der Blick auf den Beginn von CAD – gestützten Bauzeichnungen ist ernüchternd. Das CAD bot die Möglichkeit, wie am bisherigen Reißbrett in Winkeln und Kreisen zu arbeiten, Stützenraster zu vervielfältigen und enorme virtuelle Betonraster mit den entsprechenden Fassaden zu entwickeln. Hier werden die beginnenden 1990 er Jahre betrachtet; davor war CAD eher eine Anwendung für Freaks bspw. an Hochschulen und Universitäten, die in Computerlaboren Linien und Punkte abstrakt berechneten, um diese dann in Zeichnungen zu verwandeln. Diese Hürden wurden schon schnell von den Softwareentwicklern beseitigt und die Zugänglichkeit wurde den Bauzeichnern und meist jungen Architekten gegeben. Ein Nebeneffekt ist zumindest in der Betrachtung des hiesigen deutschen Architektenschaffens die weitläufige Abschaffung des Berufs des Bauzeichners. Es sind die Architekten selbst, die jetzt an den Tastaturen, Mäusen und Bildschirmen sitzen und teilweise zu Löhnen der abgeschafften Bauzeichner arbeiten.

Bauliche Auswirkungen

Aufgrund der Leichtigkeit und Geschwindigkeit der vor rd. 25 Jahren beginnenden Digitalisierung des baukonstruktiven Entwerfens sei der Hinweis erlaubt, dass man auch in dieser Hinsicht glücklich sein kann, dass sich die DDR bereits abgeschafft hatte. Die Aussicht auf eine totalitäre Nutzung der CAD Konstruktionen wäre gestalterisch und auch umweltschützend betrachtet eine Katastrophe. Und man stelle sich zumindest für Deutschland vor, Germania hätte bereits durch CAD gezeichnet werden können – das Ausmaß an Größenwahn ist sicher kaum vorstellbar.

Die Entwicklung der Zeichen- und Darstellungsprogramme ist in den vergangenen 25 Jahren beeindruckend fortgeschritten. So können Raumgebilde in drei Dimensionen perfekt berechnet werden, insbesondere die erforderlichen Baukonstruktionen können anschaulich gezeigt werden. Teile können CAD – gestützt vorgefertigt werden und bis zur Baustelle logistisch und zeitlich auf den Punkt geliefert werden.

Der Einfluss der Gestaltungsmöglichkeiten, die die technischen CADs mit der Berechnung aller Arten von geschwungenen Linienverläufen in drei Dimensionen bieten, hat sehr stark zugenommen. Sucht man bei den Suchmaschinen die gebauten Bilder der Architektenstars, werden rasch atemberaubende, fließende oder gezackte Formen sichtbar. Diese wirken auf Fotos meist immer noch geradezu wunderschön und sehen oft auch aus, wie künstliche Filmsets für elegante bis futuristische Szenen der Unterhaltungsindustrie.

 

Was machen die Träumer aus der Welt unserer Kinder und Enkel

Hier können wir den Blick in das Futur, also eben die Zukunft wagen. In den Hochzentren der neuen Zivilisationen werden Rekorde architektonischer Kühnheit in allen Dimensionen gefeiert. Wie werden diese teilweise superphantastischen gebauten Träume, teilweise noch immer verspiegelten Türme jenseits der 400 m, teilweise enormen städtischen Neuschöpfungen in 20, 30 oder 50 Jahren aussehen. Wie altern die verwendeten Materialien, wie halten die Oberflächen den sich verschärfenden klimatischen Bedingungen stand? Können die Gebäude noch mit den herkömmlichen Ressourcen betrieben und klimatisiert werden? Der Blick der jetzt zahlenden Investoren richtet sich auf die Dauer von Finanzierungen, Vermietungen und gewinnbringenden Verkäufen der Objekte – hier kann also keine Antwort erwartet werden.

Wollen wir alle leben wie in der Bilderwelt von Pinterest

Der derzeitige, geradezu verschwenderische Boom an Bildern und seine leichte Verfügbarkeit hat großen Einfluss auf die Wünsche der Verwender und Konsumenten. Dies ist auch im gesamten Immobilienwesen nicht anders. Heere von hochbegabten Architekturvisualisierern, teilweise als Freelancer aus den entlegensten Regionen der Welt zu geringsten Konditionen den Profitschmieden zuarbeitend, verzaubern auch noch drittklassige Gebäudeentwürfe mit dramatischen Wetterstimmungen oder aus trickreichen Blickwinkeln zu vereinnahmenden atmosphärischen und prospektgeeigneten Lebensträumen. Die Träume und die geplanten Wirklichkeiten scheinen zu verschwimmen und zu verschmelzen. So werden die Träume jedoch nicht in der Realität aussehen.

Aufgaben der Architekten

Die Aufgaben der begabten und auch mit Gewissen ausgestatteten Architekten sind also sehr viel vielfältiger und auch verantwortungsvoller geworden. Sie müssen sich nicht nur wehren gegen die typischen Schlüsselfertigfirmen, die mal im „Bauhausstil“, mal im „Landhausstil“ oder auch einfach zu nur betörend niedrigen versprochen Herstellungskosten – freilich manchmal ohne Innentreppen oder Erschließungen – bauen. Nein, dieser Markt ist schon ziemlich fest aufgeteilt.

Jetzt müssen wir Architekten auch gegen unmäßige Träume, die gebaut wesentlich größere Katastrophen anrichten können, gegenzeichnen und vor allem überzeugen. Viele Bauherren kommen mit zuerst fixen Ideen vor dem Auftrag für die Planung zum Büro; reizende Bilder, wie sie millionenfach beliebig auf den Plattformen im Internet zu finden sind, werden beispielhaft und mit

einem Anflug von Finderstolz vorgeführt. Unsere Architektenaufgabe besteht also nun darin, nicht nur den genius loci mit all seinen rechtlichen, konstruktiven, stadtplanerischen und auch politischen Parametern zu bedienen und preisgerecht zu beplanen und bauen zu lassen – nein, nun haben wir auch gegen virtuelle oder auch realisierte Vorhaben aus allen Erdteilen entgegen zu zeichnen. Und, damit dem eigentlichen Ort, den eigentlichen Nutzern einen ganz ehrlichen und beständigen Dienst zu erweisen. Unsere gebaute Realität ist keine Traumwelt, sondern wir müssen sie trotz fortschreitender virtueller Energie umweltgerecht und lebenswert gestalten.

Die Herausforderungen waren noch nie so groß wie heute. Wenn wir zurückblicken auf die Moderne, auf die Gründerzeit, auf die Bauten der Renaissance oder auch des Altertums, so hat jede Epoche Bestand erhalten. Aber teilweise nur, weil die Auswirkungen der Bauepochen nie so international und global, aber auch nie so zerstörerisch sein konnten, wie es heute möglich ist.

Der Verfasser des Essays ist Inhaber des Architektur- und Ingenieurbüros CMB Architecture in Berlin.

Matthias Brandner im März 2015

Architekt Brandner

Architekt Brandner

Herr Brandner ist seit 2007 Premium-Partner von ArchitektenScout

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