Repräsentative Bauten, die eine Aussage über ihren Bauherrn kommunizieren, gab es bereits vor Jahrtausenden. So lösten die Bauten des Alten Roms Ehrfurcht oder Bewunderung aus. Zugleich zeigten sie den Reichtum und die Macht ihrer Bauherren. Eine sehr ähnliche, wenn auch komplexere, Funktion hat Architektur auch heute noch. Sie hat seit den 1990-er Jahren einen Namen: Corporate Architecture. Ob diese jedoch überzeugt oder lächerlich wirkt, liegt in den Händen von Bauherrn und Architekten.
Definition Corporate Architecture
„Corporate Architecture bedeutet, die Architektur in einem Unternehmen beziehungsweise einer Organisation als Ausdruck der Unternehmenspersönlichkeit zu nutzen. Corporate Architecture umfasst szenografisch gestaltete Gebäude und Räume sowie Ausstellungen, Messeauftritte und Erlebniswelten.“ (Prof. Dr. Dieter Georg Herbst)
Um die Position von Corporate Architecture einordnen zu können, ist ein kleiner Ausflug in die Marketing- und Kommunikationswelt sinnvoll.
Architektur als Marketing-Instrument
Marketing hat unter anderem die Aufgabe, die Unternehmensidentität zu bestimmen, auszubauen und nach außen zu kommunizieren. Die Identität eines Unternehmens, die Corporate Identity (CI), umfasst das Verhalten und die Selbstdarstellung eines Unternehmens auf Basis der Unternehmensphilosophie. Ein Instrument zur Umsetzung der Kommunikation der CI ist das Corporate Design (CD). Dieses „Unternehmenserscheinungsbild“ beinhaltet alle sichtbaren Elemente der CI. Hierzu gehören zum Beispiel Farben, Schrifttypen, das Logo usw. Innerhalb dieses Bereiches findet sich die Corporate Architecture (CA). Wobei hinzuzufügen ist, dass Architektur viel mehr ausdrücken kann, als bekannte und mit einem Unternehmen assoziierte Formen oder Farben wiederzugeben. Allerdings gibt es Beispiele, in denen auch Letzteres der Primärzweck ist.
Aufgaben der Corporate Architecture
Firmenarchitektur ist in der Lage, den Wiederkennungswert zu steigern. Dies kann auf sehr niedrigschwelligem Niveau, etwa durch immer gleich anmutende Firmenbauten „aus der Schublade“ geschehen oder durch spektakuläre Gebäude, an die Betrachter sich erinnern. Diese sind geeignet, um den Stellenwert der eigenen Firma zu betonen: Ein auffallendes, einzigartiges Gebäude, dem man seinen Preis ansieht – vor allem, wenn es von einem bekannten Stararchitekten geschaffen wurde – setzt eine Benchmark. Diese Entwürfe widmen sich der Aufgabe, die CI von Unternehmen zu interpretieren. In diesen Fällen muss das Ergebnis fernab des Massengeschmacks sein. Es darf polarisieren und sogar verstören. So erreicht das Gebäude, was es erreichen soll: Es ist und bleibt im Gespräch, auch weit über den Eröffnungszeitpunkt hinaus. So funktioniert PR.
Mittels Corporate Architecture Markenpersönlichkeit empfinden
Einzigartige Architektur, zu der bestimmte Corporate Architecture ohne Frage zählt, ist in der Lage, ein Gefühl zu vermitteln. Wie Studien bewiesen haben, erinnern wir uns wesentlich besser an Etwas, das wir mit einer Empfindung verknüpfen. Das Ergebnis einer Investition in Corporate Architecture ist also eine erhöhte Präsenz in den Köpfen der Zielgruppe. Demnach ist bewiesen, dass Corporate Architecture einen großen Beitrag zum Marketing und zur Imagebildung eines Unternehmens beiträgt. Diese Maßnahme wirkt sich letztlich auch auf die Unternehmenszahlen aus, da Bekanntes lieber gekauft wird als Namenloses.
Identifikation durch Architektur
Wenn Corporate Architecture zielgerichtet umgesetzt wurde, wenn also die Architektur die Sprache des Unternehmens spricht, entsteht innerhalb des Firmengebäudes eine Empfindung. Auf Mitarbeiter, die sich regelmäßig in diesem Umfeld befinden, hat dieser ständige Einfluss eine Wirkung: Die Identifikation mit ihrem Arbeitgeber wird nachhaltig gestärkt. Diese Mitarbeiter empfinden zunehmend Loyalität, was sich auf ihre Arbeit auswirkt. So hat die Corporate Architecture – neben anderen Faktoren – eine direkte Auswirkung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.
Corporate Architecture für die Masse
Neben atemberaubenden Bauten von weltbekannten Architekten findet Corporate Architecture auch in unserem gewöhnlichen Alltag statt. Wer kennt sie nicht, die rot-gelbe Fast Food-Kette? Selbst Kinder wissen bereits, in welchen Gebäuden sie Pommes frites mit Ketchup erhalten. Ein anderes Beispiel sind verschiedene Supermarktketten. Welche von ihnen man vor sich hat, lässt sich mittlerweile an der immer gleichen Kubatur und Materialwahl ebenso gut erkennen wie an Farbgebung und Logo.
Corporate Architecture auf Messen
Eine gute, und nicht zwingend sehr kostenintensive Möglichkeit des Einsatzes von Corporate Architecture bietet der Messebau. Diese Bauten oder Stände sind für einen temporären Einsatz geschaffen und müssen daher nicht die Materialqualität aufweisen, die für einen festen Bau vonnöten ist. Bereits kleine Eingriffe können hier große Effekte schaffen und so ausdrücken, wofür das Unternehmen steht. Natürlich gibt es auch im Messebau Ausnahmen. Ein solches Beispiel ist die „Dynaform“, die BMW für die Internationale Automobilausstellung 2001 planen und errichten ließ. Das 130 Meter lange Gebäude bestand aus über 30 000 Stahlbauelementen – bei einem federleichten Erscheinungsbild.
Beispiele für Corporate Architecture
Im folgenden finden sich zwei Beispiele zur Umsetzung von Corporate Architecture.
BMW-Firmensitz in München, der „Vierzylinder“
Das meistgezeigte Beispiel für Firmenarchitektur ist die Firmenzentrale von BMW. Das „Vierzylinder“ genannte Gebäude wurde von dem Wiener Architekten Karl Schwanzer entworfen und 1972 fertiggestellt. Bereits bei seinem Anblick wird der Bezug zum bayerischen Hersteller PS-starker Fahrzeuge klar. Die vier Gebäudeelemente ragen wie ein überdimensionierter Vierzylindermotor in den Himmel.
Adidas „Laces“ von Kadawittfeldarchitektur
Das Gebäude von Kadawittfeldarchitektur ist der Produktentwicklung des Sportartikelherstellers adidas gewidmet. Es liegt inmitten des Firmencampus in Herzogenaurach, der globalen Unternehmenszentrale. Der offene und kommunikative Charakter des Gebäudes wird neben der Öffnung zur Umgebung mittels großzügiger Verglasungen durch eine Besonderheit unterstrichen: In seinem Inneren wird das Atrium von feinen grauen Verbindungsstegen, den „Laces“ durchzogen. Sie sind zum einen Wegeflächen, ähneln zum anderen aber den Schnürsenkeln (engl. Laces) eines Sportschuhs, die den Gebäudekörper zusammenbinden. So findet sich der Unternehmensinhalt, die Sportkleidung, in der Architektur wieder.
von Gina Doormann, freie Journalistin | Architekturkommunikation
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