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Selbstständige Architekten: Einer unter vielen oder Der Eine unter vielen
Architekten prägen ein besonderes Berufsfeld. Gemäß dem Ursprung ihrer Berufsbezeichnung, dem griechischen ἀρχή arché und τέχνη techne sind sie Ursprung, Grundlage und Erster der Kunst und des Handwerks. Mit diesem Bild im Kopf und dem noch bis vor wenigen Jahren gültigen Bewusstsein, zu den „drei A’s“ – Arzt, Anwalt, Architekt – zu einer per se gut verdienenden und privilegierten Klientel zu gehören, lebt es sich leicht. Bis zum Blick in die Auftragsbücher: Diese strahlen nämlich ebenso – vor Leere. Doch selbst in diesem Moment müssen zumindest männliche Architekten nicht verzagen: Laut der Online-Singlebörse academicpartner.de ist „Architekt“ der Beruf, den 54 Prozent aller Singlefrauen am attraktivsten finden. Ein Architekt sei intelligent, gebildet und verfüge über Verantwortungsbewusstsein und Kreativität. Unter diesen Voraussetzungen dürften Architekten, die den Sprung in einen veränderten Markt verpasst haben, ihre neugewonnene Freizeit zumindest sinnvoll zu nutzen wissen.
Auf jeden Architekten kommen 624 Einwohner
So einfach lässt sich das Problem der fehlenden Aufträge natürlich nicht übergehen. Im Gegenteil. Ist diese Situation von Dauer, so kann sie einen selbstständigen Architekten seine Existenz kosten. Doch welche Mittel und Möglichkeiten bleiben ihm, wenn er nicht (mehr) empfohlen wird und selbst ansehnliche Ergebnisse bei Wettbewerbsteilnahmen nicht zu neuen Auftraggebern führen?
Um weiterhin oder wieder erfolgreich arbeiten zu können, wird einem solchen Architekten ein großer Schritt abverlangt. Er muss sich mit einem sich verändernden Rollenbild seines Berufsstandes auseinandersetzen. Wie zeigt sich diese Veränderung und was genau macht sie aus? In Deutschland gab es gemäß der Bundesarchitektenkammer 2014 insgesamt 129 042 Architekten – damit kommen bundesweit auf jeden Architekten 624 Einwohner. Doch damit nicht genug: Von dieser an sich schon großen Zahl an Architekten waren zu diesem Zeitpunkt 51 571 selbstständig tätig, die Mehrheit freiberuflich, ein kleiner Teil gewerblich.
Wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt, wird schnell deutlich, dass es mit Haltung, Entwurfskompetenz und Berufsethos nicht mehr getan ist. Schließlich gilt es, unter den 624 Einwohnern, die einem Architekten statistisch zur Verfügung stehen, denjenigen anzusprechen, der bauen will. Und diese Person hat die Wahl zwischen 51 570 anderen Büros. Was also tun?
Künstler oder Unternehmer – oder beides?
Architekten müssen damit beginnen, sich weniger als Künstler zu begreifen, sondern vielmehr als Unternehmer. Hierfür existieren grundsätzlich zwei Wege. Entweder ein Büro macht Investorenbauten zum Mittelpunkt seines Tuns – damit entfernt es sich ganz bewusst vom Bild des Künstlers und Kreativen. Es geht einen Weg, in dem Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und rationelles Vorgehen dominieren. Ein anderer Weg wäre, seinen Schwerpunkt darauf zu legen, die Architektur bewusst mit immateriellen Gütern zu verbinden: Images, Marken, das Schaffen von Erlebnissen stehen im Mittelpunkt. Büros, die letzteren Weg monetär erfolgreich gehen möchten, können beispielsweise auf Corporate Architecture setzen oder Bauten schaffen, die von zugehörigen Unternehmen als Investition in die eigene Marken- bzw. Imagebildung betrachtet werden können.
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„Publish or Perish!“
Für welche Strategie sich ein Büro künftig auch entscheidet – Meinhard von Gerkan, Miteigentümer von gmp, hat mit seinen Worten Recht! Die Strategie mag so genial sein, der zu gehende Weg so klar vor einem Büro liegen: Wenn niemand, also kein potenzieller Bauherr, etwas davon mitbekommt, ist beides nichts wert. Das Auftragsbuch bleibt so leer wie zuvor.
Architekten müssen einsehen, dass sie den in sich geschlossenen Architekturdiskurs verlassen müssen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Veröffentlichungen in AIT, Detail und Arch+ sorgen zwar für Renommee in den eigenen Reihen und zum besseren Platz in dem einzigen Büroranking, das es hierzulande gibt, bei BauNetz (Link: http://www.baunetz.de/ranking/). Doch künftigen Bauherren ist das herzlich egal: Sie möchten sich auf den Treuhänder an ihrer Seite verlassen können, über den sie in ihrem Fachmagazin für Häuslebauer gelesen haben. Unter meinem Niveau! Was denken meine Kollegen – möchten Architekten mit Haltung und Berufsethos aufschreien. Doch warum? Beides ist möglich. Warum soll man aufhören, an Wettbewerben teilzunehmen, zu zeigen was man im Entwurf drauf hat, nur weil zeitgleich Schwarzbrot-Arbeit das eigene Gehalt und das der Angestellten sichert?
Es zeichnet sich ein Bild, dass Architekten weiterhin Erster der Handwerkskunst sein dürfen, wenn sie dabei nur einsehen, dass sie ebenso Unternehmer sind. Und als solche ist es ihre oberste Pflicht, auf die Anforderungen einer Gesellschaft im Wandel und die Vorgaben der Politik zu achten und ihnen durch ihr Wirken Rechnung zu tragen. Denn, mal ehrlich, wie viele der 51 571 Architekturbüros bestehen aus „Stararchitekten“?
Von Gina Patricia Doormann, Architekturkommunikation und freie Journalistin
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