Ende März bezog Facebook sein neues Headquarter im Menlo Park in Kalifornien. Interessant macht dieses Gebäude nicht allein, dass es von Stararchitekt Frank Gehry entworfen wurde. Es ist ferner ein spannendes und lebendiges Beispiel von Corporate Architecture: Neben dem Gebäude selbst kommuniziert die besondere Art der Berichterstattung über dessen Eröffnung das Leitbild des Unternehmens Facebook. Nicht etablierte Architekturfotografen waren geladen, erste Eindrücke festzuhalten. Es waren stattdessen erfolgreiche Nutzer der Facebook-eigenen Bildcommunity Instagram, die auf Einladung des Konzerns ihre persönliche Wahrnehmung auf ihre virtuelle Pinnwand luden und mit dem Internet teilten. Alle Bilder, die in diesem Rahmen entstanden, sind auf Instagram unter dem Hashtag #mpk20firstlook kuratiert.
Mark Pike, auf Instagram markpike, ist Facebook-Mitarbeiter und zeigt den Eingangsbereich des Gebäudes, den er künftig jeden Tag auf dem Weg zu seinem Schreibtisch durchqueren wird. Er spricht von wunderschönen Ausblicken, die überall anzutreffen sind. So kontrastiert das schlichte, kantige Design der Eingangshalle den lieblichen Ausblick aufs Wasser.
Stararchitekt trifft Nerd
Diese Herangehensweise klingt jugendlich, nerdig und trendy – da ist die naheliegende Frage, was einen über 80-jährigen Stararchitekten, der sich seine Projekte aussuchen kann, zu dieser Zusammenarbeit bewegt hat. Zusätzlich interessant wird die Frage unter dem Aspekt, dass Gehry dafür bekannt ist, seine Auftraggeber eng in den Entwurfsprozess einzubinden. So trafen sich Mark Zuckerberg und Frank Gehry brainstormend am noch nicht ganz fertigen Modell. Zuckerberg war daran gelegen, seine Firmenphilosophie des noch lange nicht beendeten Arbeitsprozesses via Corporate-Architecture-Komponenten zu transportieren. Derweil war Gehry sehr wahrscheinlich darum bemüht, seine architektonische Handschrift im Zaum zu halten. Denkt man an seine schillernde Walt Disney Concert Hall in Los Angeles oder den spektakulären Innenausbau des Gebäudes der DZ-Bank am Pariser Platz in Berlin, so ist das Zurücknehmen des Architekten fast spürbar.
Das erste Bild zeigt mit der Walt Disney Concert Hall eine für Frank Gehry typische Konstruktion. Ihre auffällige Kubatur gibt ihr eine spektakuläre Anmutung. Die architektonische Handschrift Gehrys mit ihren Rundungen ist deutlich.
Das folgende, via Instagram geteilte Bild zeigt eine Treppenkonstruktion, die ohne Hintergrundwissen wohl kaum Frank Gehry zugeordnet worden wäre. Und doch: Beton ist einer seiner favorisierten Werkstoffe und die Treppe ist zudem – auf diesem Bild leider nicht ersichtlich – frei tragend. So hat der Instagram-Blogger andrewblotky exemplarisch festgehalten, wie eine Architektur aussieht, die eine Symbiose der Gedanken von einem Nerd mit bodenständiger Vision und Stararchitekt ist.
Widerspruch: Gehry entwirft bewusst schlichten Bau
Was das ungewöhnliche Team hervorbrachte, ist groß – wirklich groß! Mark Zuckerberg war daran gelegen, den größten Grundriss der Welt zu erschaffen, wie er auf seiner persönlichen Facebook-Seite kundtat. Und das scheint ihm – mit Unterstützung von Frank Gehry – gelungen zu sein. Der neue Komplex ist ein Großraumbüro für 2.800 Mitarbeiter auf neun Morgen Fläche – das ist etwa so viel wie fast vier Fußballfelder. Dennoch ist das Gebäude sehr schlicht und eher kantig gehalten. Dies ist für Gehry äußerst ungewöhnlich, bildet aber ab, was des Facebook-Gründers Wunsch war. Mark Zuckerberg beschreibt auf seiner Facebook-Seite, dass das Gebäude bewusst schlicht gehalten sei. Die Facebook-Belegschaft wünsche sich ein Raumgefühl, das für im Prozess begriffene Arbeit steht. Bei Betreten des Gebäudes sollen Besucher einen Endruck davon erhalten, wie viel für Facebook noch zu tun sei auf seiner Mission, die Welt miteinander zu verbinden. Diese Haltung beginnt in dem riesigen Großraumbüro: Zuckerberg waren offene Räume wichtig, sodass jeder Mitarbeiter mit jedem beliebigen anderen problemlos zusammenarbeiten kann. Das dürfte ihm mit einem so großmaßstäblichen Großraumbüro gelungen sein.
Garagenoptik als Corporate-Architecture-Instrument
Die Corporate-Architecture-Botschaft drückt der Bau mit seiner, gemäß sueddeutsche.de, „Garagen“-Optik aus: die Facebook-Mission steckt noch mitten im Arbeitsprozess. So, wie man sich junge Hacker vorstellt, die in einer Garage vor sich hintüfteln, um irgendwann etwas ganz Großes zu schaffen. Diesem Dogma folgt auch die Innenarchitektur: Die Wand ist neben kindlich-bunter Kunst gespickt mit dem Motto „this journey is 1% finished“ – diese Reise ist erst zu einem Prozent beendet. Somit ist das neue Facebook-Gebäude ein neues, kraftvolles Beispiel dafür, wie Menschen ihrer Umgebung ihr Verständnis von Raum und Besitz kommunizieren. Nichtsdestotrotz ist das Gebäude auf der anderen Seite schlichtweg ein weiteres sehr teures Silicon-Valley-Projekt.
„Großraumbüro mit dem Appeal des Umgenutzten“
Die Architektur, um wiederum mit sueddeutsche.de zu sprechen, entspricht einem „Großraumbüro mit dem Appeal des Umgenutzten“ – einerseits. Andererseits finden Mitarbeiter alle Annehmlichkeiten vor, die sie von einem Arbeitgeber dieser Größenordnung erwarten dürfen. Eine Ansicht aus der Vogelperspektive zeigt, dass der Komplex ein Zusammenspiel von vier Gebäudekörpern ist. Unter diesen befindet sich laut archdaily.com eine Tiefgarage und auf ihren Dächern eine Dachterrasse von ungekannten Dimensionen. Sie hat viel mehr von einem Park als von einem gewöhnlichen unternehmenseigenen Außengelände. In diesem Park finden Mitarbeiter eine Handvoll Cafés, Grills, und Arbeitsflächen unter großen, ausgewachsenen Bäumen. Das Gefühl, sich in einem Park zu befinden, wird so vollendet.
Großmaßstäbliche Corporate Architecture
Die Planung eines so großmaßstäblichen Gebäudes durch einen ebenso großen Stararchitekten kommuniziert die eine Seite von Facebook: ein unglaublich schnell gewachsenes, unglaublich reiches und dynamisches Unternehmen. Es beeinflusst oder besitzt zahlreiche weitere Unternehmen und sein Einfluss wächst daher unaufhörlich. Somit hat Gewicht, was Facebook − ergo Mark Zuckerberg – sagt. Hierzu passt die Zusammenarbeit mit einem Stararchitekten von der Kragenweite Frank Gehrys – was ein so großer Planer sagt, entwirft oder festlegt, hat in seinem Metier eine ebenso große Bedeutung. Doch im Fall des neuen Facebook-Gebäudes transportiert die Architektur noch etwas anderes: die irgendwie bodenständige Philosophie des Internet-Konzerns, das ewig Unfertige, kindlich-Neugierige und die bunten Facetten eines virtuellen Unternehmens. Die Größe und das Unnahbare eines Frank Gehrys geht eine Liaison mit dem jungen und für immer Unfertigen eines nerdigen Unternehmens wie Facebook ein. So entstand im Silicon Valley ein Gebäude, das im großen Stil zeigt, zu was Corporate Architecture in der Lage ist.
Gina Doormann
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