Berühmtheiten der Architektur: Peter Zumthor

  • Von Jesco Puluj
  • Veröffentlicht 5. September 2016
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In unserer Reihe „Berühmtheiten der Architektur“ stellen wir vom ArchitektenScout Ihnen die Stars der Architekturszene vor: Architekten, Architektenbüros, außergewöhnliche Bauwerke — alles was das Architekten-Herz begehrt.

In unserem heutigen Artikel stellen wir einen der berühmtesten, aber auch umstrittensten Architekten der Schweiz vor: Peter Zumthor.

Peter Zumthor – Ausgezeichnete Architektur mit klarer Linie

Peter Zumthor wurde 1943 in Basel, Schweiz geboren und ist ein international sehr bekannter Architekt.

Nach seiner Ausbildung als Möbelschreiner widmete er sich im anschließenden Studium an der Kunstgewerbeschule in Basel der Innenarchitektur und dem Design. Nachfolgend studierte er Architektur und Industrial Design am Pratt Institute in New York.

Nachdem er viele Jahre als Denkmalpfleger am Denkmalamt seines Wohnkantons Graubünden in der Südostschweiz tätig war, gründete er 1978 sein Architekturbüro im gleichen Kanton.

Zusammen mit seiner Frau Annalisa Zumthor-Cuorad, mit der er drei erwachsene Kinder hat, lebt er in Haldenstein, wo er auch sein Architekturbüro mit etwa 30 Angestellten leitet.

Eines seiner berühmtesten Werke ist die Therme Vals. Wie eine Mischung aus Steinbruch und Höhle aufgebaut, sollte sie sich dank der genutzten Materialen aus der unmittelbaren Umgebung nahtlos ins Gesamtbild der Region einfügen, den Ausdruck von nachhaltigem Tourismus fördern und die sozialen und kulturhistorischen Umstände des Ortes aufgreifen.

Er war als Gastprofessor weltweit tätig und lehrte unter anderem am Southern California Institute of Architecture in Los Angeles (1988), der Technischen Universität in München (1989), an der Tulane University (1992) und der Harvard Graduate School of Design (1999). Seit 1996 ist er ebenfalls Professor an der Schweizer Accademia di Architettura di Mendrisio.

Zumthor hat eine klare Auffassung von Architektur, verweigerte sich zeitweisen Modeströmungen und drückt seine Meinung direkt und unverblümt aus. Das brachte ihm in der Vergangenheit den Ruf ein, schwer umgänglich und stur zu sein. Als Künstler nimmt er sich Zeit für seine Arbeit, arbeitet detailgenau und hoch perfektionistisch. Beim Aufbau der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ bescherte ihm diese Arbeitseinstellung das frühzeitige Aus, weil das Projekt mit 38,8 Millionen Euro Baukosten zu teuer wurde.

Für ihn ist Architektur nicht Bauen, sondern eine sinnliche Erfahrung, die greifbar und menschlich sein soll. Das Fühlen, Riechen und Anfassen von Materialien im fertigen Werk orchestrierte Zumthor förmlich, weshalb die Materialwahl (wenn auch teilweise teuer) große Priorität in seinen Umsetzungen genoss. Diese Verherrlichung von sinnlicher Erfahrung und Gefühlen teilt er mit Heideggers Überzeugung aus den Lehren der Phänomenologie.

Nichtsdestotrotz wurde seine oft als minimalistisch bezeichnete Arbeit vielerorts gewürdigt: 1994 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste in Berlin gewählt. Zwei Jahre späte wurde er zum Ehrenmitglied des Bunds Deutscher Architekten (BDA) ernannt, gefolgt vom Carlsberg Architectural Prize für die Konzeption des Kunsthauses Bregenz (1998), dem European Union Prize for Contemporary Architecture (1999), der Royal Gold Medal (2013) und dem Pritzker-Preis, dem weltweit wichtigsten Architekturpreis.

Im Folgenden stellen wir Ihnen einige seiner bekanntesten Bauwerke vor.

Kunsthaus Bregenz, Österreich (1997)

Das Kunsthaus Bregenz (kurz: KUB) baute Zumthor innerhalb von sieben Jahren im Auftrag des österreichischen Bundeslandes Vorarlberg.

Als eine in Europa führende Galerien für zeitgenössische Kunst im Hinblick auf Architektur und ihr Programm zeigt es auf 1.880 m² wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Die dort vertretenen internationalen Künstler erstellen ihre Werke in der Regel speziell für das Kunsthaus.

Es ist auch ein Ort, der dazu beiträgt, die kulturelle Identität von Vorarlberg mit regionalen Projekten zu formen. Nennenswert sind Gottfried Bechtolds “Signatur 02” und “Truth Bevor Power” (2004) der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer. Sie nutzten architektonische und Naturdenkmäler in Vorarlberg dazu, großformatigen Texte darauf zu projizieren.

Das umfangreiche Bildungsprogramm ergänzt mit relevanten Büchern, Sammlungen von Essays und Katalogen die hochkarätigen Ausstellungen. Es versteht sich als Schnittstelle für ausführliche Diskussionen im Spannungsfeld von Architektur und der Werkarbeit. Exklusive Sonderausgaben, die in enger Zusammenarbeit mit dem ausstellenden Künstler entstehen, sind keine Seltenheit.

Zur Architektur des Hauses sagt Zumthor:

Das Kunsthaus steht im Licht des Bodensees. Sein Körper ist aus Glasplatten, Stahl und einer Steinmasse aus gegossenem Beton gebaut, die im Innern des Hauses Struktur und Raum bildet. Von außen betrachtet wirkt das Gebäude wie ein Leuchtkörper. Es nimmt das wechselnde Licht des Himmels, das Dunstlicht des Sees in sich auf, strahlt Licht und Farbe zurück und lässt, je nach Blickwinkel, Tageszeit und Witterung etwas von seinem Innenleben erahnen.

Die Beziehung des Hauses zu Zumthor ist besonders, weil es eine Sammlung von über 300 seiner Architekturmodelle beherbergt. Seit seiner dortigen Einzelausstellung (2007) werden sie archiviert und mit umgesetzten und nur geplanten Projekten laufend um neue Modelle bereichert.

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Kunsthaus Bregenz: Detailansicht der Fassade (Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Therme in Vals, Schweiz (1996)

Auch wenn Zumthors Erfolgsbilanz in den 1990er Jahren noch überschaubar war, wurde er für den Bau des Thermalbads auserwählt.

In den drei Jahren Bauzeit beabsichtigte er, die Bäder so zu entwerfen, dass sie älter als der Hotelkomplex, der Teil des Thermalbads ist, erscheinen. Dazu griff er die Form eines Steinbruchs auf und setzte fürs Dach eine Graskonstruktion ein, die einer archäologischen Stätte ähnelt. Die darunter liegenden Bäder liegen so halb begraben und in die natürlich Form des Bergs eingebaut.

Wie ein riesiges Puzzle fügen sich die Quarzit-Platten aus der Umgebung einheitlich zu einem fünf Meter hohen Werk zusammen, das aus 15 tabellenartig gegliederten Teilen besteht. Das erwähnte Dach ist unterhalb aus massivem Beton gefertigt, während dessen Einheiten 8 cm große, mit Glas verdeckte Lücken aufweisen. Im Innenraum wirkt das Dach dichotomisch, weil der Beton einerseits einen schweren Eindruck hinterlässt, aber die Lücken andererseits ein schwereloses Gefühl vermitteln.

Für die Fassade der wuchtig wirkenden Konstruktion wurden 60.000 Steinplatten aus dem nahegelegenen Steinbruch der Gemeinde verwendet.

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Therme in Vals: Frontfassade (Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Kunstmuseum Kolumba Köln, Deutschland (2007)

Das neben dem Wallraf-Richartz-Museum älteste Museum in Köln ist ein Neubau der im Krieg zerstörten, romanisch-spätgotischen Kirche St. Kolumba.

Die Sammlung umfasst Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Skulpturen, dekorative Kunst und religiöse Symbole von der Spätantike bis zur Gegenwart.

Besonders ist der Verzicht auf Objektbeschriftungen, die dem Besucher erklärend zur Seite stehen und die gleichzeitige Präsentation der Werke, ohne eine chronologische, stilistische oder mediale Einheit zu bilden. Stattdessen regt das eher intime Ambiente den Besucher dazu ein, sich unmittelbar mit der Kunst zu beschäftigen. Die Gegenüberstellung von alter und zeitgenössischer Kunst bildet eine Brücke von Vergangenem, wie es die Ausstellung zeigt, und der Gegenwart des Besuchers.

Dieses Konzept des „lebenden Museums“ griff Zumthor ebenfalls auf, indem er den Neubau auf dem ursprünglichen Grundriss begann und die Mauerreste der St. Kolumbia verwendete. Der speziell für den Neubau gebrannte Backstein verbindet sich mit dem Originalmauerwerk der Kirche und den Zementsteinen aus der Nachkriegszeit. Alt und neu finden zueinander und lassen das Museum selbst Teil der Architekturgeschichte werden.

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Kolumba-Neubau: Außenansicht (Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Bruder-Klaus-Feldkapelle, Mechernich-Wachendorf, Deutschland (2007)

Die katholische Kapelle am Nordrand der Eifel ist dem Schweizer Friedensheiligen Nikolaus von Flüe (Bruder Klaus) gewidmet. Die Bauherren wurden auf Zumthor durch seinen Bau der Kölner Kolumba auf ihn aufmerksam und engagierten ihn für die Umsetzung.

Als Kapelle auf dem Feld, das im Besitz der Landwirtsfamilie Trudel und Hermann-Josef Scheidtweiler ist, entschied sich Zumthor für eine zeltförmige Innenkonstruktion aus Fichtenstämmen. Umgeben sind sie von einem Kapellenkörper aus Stampfbeton, der nach traditioneller Bauweise der Region von einer ehrenamtlichen Stampfmannschaft und Handwerkern bis zu 12 Meter hoch übereinander gelagert wurde.

Der für Zumthor typische, minimalistische Turmbau ist ein fünfeckiger Block, der innen die Fichtenstämme klar erkennen lässt. Der Verbindung zur Natur mit der regionalen Tradition des Handwerks der Region macht seinen Wunsch zur Auseinandersetzung von Bestehendem und Neuerbautem wiederum deutlich. Zwar nach oben hin offen mit Blick Richtung Himmel, ist der Innenraum relativ dunkel und eng. Die persönliche Reflexion und der innere Dialog mit sich selbst stehen im Zentrum dieses Bauwerks.

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(Bruder Klaus Feldkappelle, Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Caplutta Sogn Benedetg (Kapelle des Heiligen Benedikt), Sumvitg, Schweiz (1989)

In Zumthors Heimatkanton erbaute er 1989 als Gewinner eines Architekturwettbewerbes die Kapelle des Heiligen Benedikt, die fünf Jahre zuvor durch eine Lawine zerstörte wurde.

Auch wenn die Caplutta sich dem bauhistorischen Bild der Surselva fügt, fällt sie mit ihrem Holzbau und der für eine Kapelle unüblichen (von oben betrachteten) Bootform auf. Den Sakralbau hatte Zumthor beobachtend und schützend über dem Dorf gebaut, mit der Verwendung von Holz zeigt er es aber als dem Dorf zugehörig und traditionsgetreu, wie die alten Bauernhäuser der Region.

Aufgrund der hohen Lage macht die Caplutta die Verbindung von Erde und Himmel deutlich. Diesen speziellen Eindruck verstärkt der hölzerne Innenraum durch das einfallende Licht und die silberne Wand hinter den Holzstützen.

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Caplutta Sogn Benedetg: oberhalb Sumvitg (Foto: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

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