Mit Bauhaus-Architektur und -Design verbinden wir seit vielen Jahrzehnten moderne und funktionale Entwürfe. Worauf beruht diese Leistung? Warum sind die fast 100-jährigen Entwürfe noch immer modern? Und wie entstand der Mythos um das Bauhaus?
Die Gründung des Staatlichen Bauhauses 1919 in Weimar war der Höhepunkt einer komplexen Entwicklung, die bis in die Romantik zurückreicht und bis heute aktuell ist.
Bereits vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges (1914 – 1918) wurde deutlich, dass vor allem jüngere Architekten mit dem Historismus brechen und mutig die Aufgaben ihrer Zeit angehen wollten. Sie bedienten sich aus einer großen Palette neuer Materialien, neuer Herstellungsprozesse und damit auch Formen. Vor allem aber widmeten sie sich den Problemen, welche die Industrialisierung und Technisierung mit sich brachten.
Der neue Architekturstil kommt einer Revolution in der Architektur gleich: Seit sich die Baumeister um 1500 von der Gotik ab- und der Renaissance zuwendeten, hat es keine andere Entwicklung mit solch erheblichem Ausmaß gegeben.
Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Veränderung in der Architektur abrupt und ließ sie für fünf bis sieben Jahre stagnieren. Nach dem Kriegsende nahmen die Architekten ihre Arbeit wieder auf und ließen die neuen Herausforderungen abermals in ihre Projekte einfließen.
Zu den Pionieren dieses neuen Architekturstils zählt auch der Bauhaus-Gründer: Walter Gropius.
1919 bis 1933: Weimar – Dessau – Berlin
Im Jahr 1919, nur wenige Monate nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, wurde das Staatliche Bauhaus Dessau vom Architekten Walter Gropius als Hochschule und Kunstgewerbeschule gegründet. Sie ist der direkte Nachfolger der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst im Zusammenschluss mit der von Henry van der Velde geleiteten Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar. Nachdem die konservative Thüringer Regierung finanziellen und politischen Druck auf das Bauhaus ausübte, beschloss der Meisterrat 1925 den Umzug des Bauhauses nach Dessau. Mit Gropius’ Rücktritt übernahm die Direktion von 1928 bis 1930 Hannes Meyer und anschließend Ludwig Mies van der Rohe. Nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten bei den Gemeinderatswahlen in Dessau wurde das Bauhaus 1932 auf Druck der NSDAP geschlossen. Mies van der Rohe versuchte es als private Einrichtung in Berlin weiterzuführen, wo ihn jedoch 1933 die Nationalsozialisten zur Selbstauflösung zwangen.
Das Staatliche Bauhaus Weimar
Eine der wichtigsten Leistungen des Bauhauses liegt im Selbstverständnis als verantwortungsbewusste Gemeinschaft, bei der Geben und Nehmen gleichermaßen für Schüler und Lehrende gilt. Diese Ideologie übernahm Gropius aus den mittelalterlichen Bauhütten, in deren Anlehnung er auch den Namen „Bauhaus“ für die Kunstschule auswählte.
In den Bauhütten waren die unterschiedlichen Handwerker und Künstler, die beispielsweise am Bau einer Kathedrale beteiligt waren, unter einem Baumeister organisiert. Besondere Bedeutung kam dabei der Ausbildung der Lehrlinge und Gesellen zu.
Auch am Bauhaus Weimar prägte der Vorkurs des Künstlers Johannes Itten von 1919 bis 1923 die Grundlagenausbildung. Künstler und Handwerker erhielten den gleichen Unterricht in Natur- und Materialstudien (inklusive Farb- und Formlehre), in Analysen alter Meister und im Aktzeichnen. Erst die Schüler, die den Vorkurs bestanden hatten, durften eine Werkstatt für ihr Studium auswählen. Itten wollte so die schöpferische Kraft der Schüler wecken und jedem die Möglichkeit geben, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken.
Walter Gropius verfasste zur Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar ein Manifest, dem gegenüber sich auch alle nachfolgenden Generationen verpflichtet fühlten.
„Das Ziel aller bildnerischen Tätigkeiten ist der Bau! […] Architekten, Maler und Bildhauer müssen die vielgliedrige Gestalt des Bauens in seiner Gesamtheit und in seinen Teilen wieder kennen und begreifen lernen, dann werden sich von selbst ihre Werke wieder mit architektonischem Geiste füllen, den sie in der Salonkunst verloren.“ (Walter Gropius, Auszug aus dem Manifest des Staatlichen Bauhauses in Weimar, April 1919)
Mit der Idee, alle bildenden und darstellenden Künste unter der Architektur zusammenzubringen und Künstler auf die Handwerkskunst zurückzubesinnen, überwand das Bauhaus die Kluft zwischen künstlerischer Konzeption und Verwirklichung. Diese hatte sich im 19. Jahrhundert durch die technisch-industrielle Revolution entwickelt, als die fortschreitende Mechanisierung und die industrielle Fertigung billigen Ersatz boten und das Handwerk verdrängten. Die Architektur als Kunst und Handwerk wurde infolgedessen abgewertet.
Mit der Realisierung von Gesamtkunstwerken, welche die „Umwandelung der sozialen Wirklichkeit zu einer erneuerten Gesellschaft“ unterstützten, verstand sich das Bauhaus als „Versuchslabor eines Baus der Zukunft“.
Das erste Bauhaus-Wohnhaus
1923 präsentierte das Bauhaus Weimar – auf Druck der Thüringer Landesregierung – seine Arbeit in der mittlerweile legendären ersten Bauhaus-Ausstellung.
Zu diesem Anlass wurde das „Haus am Horn“ nach einem Entwurf von Georg Muches als Musterhaus errichtet. Das eingeschossige Gebäude hat eine 12 x 12 Meter große Grundfläche. Von außen und innen erscheint der Bau sachlich und nüchtern. Um einen zentralen 36 Quadratmeter großen Wohnraum, der einem Atrium gleich kommt, sortieren sich ringförmig Küche, Bad, Arbeitsnische, Kinder-, Damen-, Herren-, Ess- und Gästezimmer. Verschiedene Künstler stellten in den Bauhaus-Werkstätten die Einrichtungsgegenstände für das Haus am Horn manuell her. Sie webten Teppiche, entwarfen Möbel und keramische Gefäße und gestalteten die Räume damit aus. Bei der Präsentation des Hauses am Horn wurden die Ausstattung mit standardisierten Badezimmer- und Küchenelementen sowie die Verwendung neuer Materialien und Produktionsmethoden betont.Das Haus am Horn blieb das einzige realisierte Gesamtkunstwerk des Bauhauses in Weimar. Zur Eröffnung der Bauhaus-Ausstellung hielt Walter Gropius seinen Vortrag „Kunst und Technik – eine neue Einheit“. Dieser leitete die Abwendung des Bauhauses vom Handwerk und die Hinwendung zur Industrie ein. In seinem Essay „Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses Weimar“, der ebenfalls zur Leistungsschau erschien, schreibt Gropius:
„Die Werklehre des Bauhauses soll den Lehrling zur Normarbeit vorbereiten. Ausgehend vom einfachsten Werkzeug und einfachsten Arbeitsvorgang gewinnt er allmählich Können und Verständnis für kompliziertere Werkvorgänge und für die Anwendung der Maschine, ohne daß er, wie der Fabrikarbeiter, der allein die Teilleistung kennen und beherrschen lernt, die Beziehung zu dem gesamten Gestaltungsvorgang verlieren muß. Die Verbindung der Bauhauswerkstätten mit bestehenden Industriebetrieben wird deshalb zu gegenseitiger Befruchtung bewußt gesucht.“
Die Bauhaus-Stätten in Weimar und Dessau wurden 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. In der Begründung der UNESCO-Kommission heißt es:
„Das Bauhaus mit seinen Stätten in Weimar, Thüringen, und Dessau, Sachsen-Anhalt, steht für die sogenannte Bauhaus-Schule der Architektur, die zwischen 1919 und 1933 revolutionäre Ideen der Baugestaltung und Stadtplanung durchsetzte. Die Bauten der Bauhaus-Professoren von Walter Gropius bis Hannes Meyer, Lazlo Moholy-Nagy bis Wassily Kandinsky begründeten den Bauhaus-Stil, der die Architektur des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt hat.“
Was den Bauhausstil im Detail ausmacht und welche guten, zeitgenössischen Interpretationen es gibt, möchten wir Ihnen im zweiten Teil dieses Beitrags zeigen. Dieser wird im Juli 2015 auf architekten-scout.com erscheinen. Darin erläutern wir auch, wie die in Dessau geplante und realisierte Architektur den Mythos um das Bauhaus begründet. Für eine vertiefende Lektüre finden Sie im zweiten Text zudem Informationen zu empfehlenswerter Fachliteratur über das Bauhaus.
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