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Die Vorteile eines Neubaus für den Nutzer und Investor sind immens. Neueste Haustechnik, neueste technische Standards in Bezug auf: Schallschutz, Wärmeschutz etc versprechen nicht nur höheren Wohnwert, sondern auch niedrige Verbrauchskosten und Werterhalt. Dazu gibt es noch eine Gewährleistung. Aber was ist mit dem Thema : Baumängel ?
Wie andere technische Produkte ist der Innovationsgehalt und die Komplexität eines Gebäudes von heute mit denen vor 20 bis 50 Jahren nicht zu vergleichen. Die Bauaufgabe rein planerisch zu lösen bedarf der Einbeziehung verschiedenster Fachleute und Fachingenieure. Die Schnittstellen sind groß und der Teufel steckt im Detail.
Der interessierte Beobachter konnte die katastrophalen Auswirkungen einer Fehlplanung bzw. Organisation bei dem Flughafenprojekt BER deutlich erkennen. Kosten- und Bauzeitexplosion bis hin zum kompletten Projektscheitern drohen nicht nur bei Großprojekten.
Schaut man sich Neubauten heutzutage zum Zeitpunkt der Abnahme an, so wird man immer öfter ganze Aktenordner mit Mängeln finden. Die Anzahlt der gefundenen Mängel schwankt bei den Untersuchungen bei Einfamilienhäusern zwischen 15-25. Die Anzahl erscheint jedoch recht irrelevant, kommt es doch Hauptsächlich auf die Schwere des Mangels an. Ein Riss in der Rauhfasertapete oder der Farbspritzer auf der Treppe sind sicher nicht mit einem schwerwiegenden Gründungsproblem oder einer Schall/Wärmebrücke zu vergleichen. Nicht selten werden vom Bauherren zu diesem Zwecke mehrere Sachverständige zugezogen um alle Missstände zu dokumentieren. Es lohnt sich ja für diesen auch oftmals: Nicht nur hat der Bauherr ein logisches Interesse an einer mängelfreien Erstellung, sondern jeder vorhandene Mangel wird (oft mit entsprechenden Druckzuschlägen) einfach von der Handwerker- bzw. Unternehmerrechnung abgezogen. Die Ausnahme ist wirklich selten. Das ganze wiederholt sich dann kurz vor Ablauf der Gewährleistungszeit.
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Lassen wir bei der Betrachtung die Art von Mängeln weg die mit der Wasserwaage oder einem guten Auge als „schief“ und „uneben“ zu erkennen sind,
Abgesehen von der Tatsache, dass oft schlicht Kleinigkeiten als Mangel aufgezeigt werden sind die nachfolgenden Punkte schon bei der Planung und Bauleitung besonders sorgfältig zu berücksichtigen um Baumängel zu vermeiden :
Abdichtung des Kellers
Der Kellerbereich birgt traditionell ein hohes Mängelrisiko meist auch verbunden mit teueren Mängelbeseitigungskosten. Die Wahl der Abdichtung und die entsprechende Werkplanung setzen ein Bodengutachten voraus. Die in letzter Zeit häufig ausgeführte Bitumen-Dickbeschichtung muss genau nach Herstellervorgaben ausgeführt werden. Mängel entstehen hier häufig durch unzureichende Schichtdicke (hier Schichtdickenprotoll verlangen), mangelhaften Untergrund (zu feucht, staubig, uneben, kalt) und an dem Fußpunkt der sogenannten Hohlkehle zum Anschluss der horizontalen Bauwerksabdichtung. Schwachstellen sind in diesem Bereich naturgemäß die Durchdringung für Anschlüsse etc.
Diese Mängel lassen sich nur vermeiden, wenn man als Architekt bei der Ausführung „danebensteht“.
Balkone
Nicht ohne Grund werden in letzter Zeit mehr und mehr Standard Vorsatzbalkone verwendet, welche oft eine offene Konstruktion, also keine Sperrung, haben. Damit umgeht man die Standardprobleme einer individuell geplanten Massivbalkonlösung. Die da wären:
Thermische Trennung, Verwahrung der Sperrung, funktionierende Drainageschichten und frostsichere Fliesen. Nicht zu vergessen die zur Verstopfung neigenden Einläufe oder Rinnen.
Ein weiterer Schwachpunkt ist hier die Geländerbefestigung.
Dächer
In der Praxis entdeckt man hier Mängel in Bezug auf die Verwahrung der Dampfbremse und bei dem Durchdringenden der Wärmedämmung und der Dampfsperre (Stichwort Entlüftungsleitungen, Elektroleitungen und Schornsteine).
Ein Dauerbrenner ist die fehlende Wärmedämmung oberhalb der Ringbalken. Thermische Mängel sind durch Thermografieaufnahmen sichtbar zu machen. Mängel an Flachdächern füllen nicht nur ganze Buchbände, sondern beschäftigten in den 70-90 Jahren die Gerichte.
Schallbrücken
Wohnungstrennwände sind ein ganz heikler Punkt, da diese oft unzulässig geschwächt werden. Die Haustechnik verursacht häufig Schallprobleme, diese muss entkoppelt sein und die Deckendurchdringungen speziell ummantelt und verschlossen, sonst hört man im wahrsten Sinne jedes Wort von der anderen Etage. Die Versorgungs- und Elektroleitungen über Rohdecke sorgen fast immer für Ärger (geschwächte Trittschalldämmung) genau so wie Treppenhäuser und Aufzugsanlagen, die nicht ausreichend entkoppelt und getrennt wurden.
Fassade
Bei Klinkerfassaden stellen die Gutachter Fehler in der Funktion der Hinterlüftung, der Entwässerung und der mangelnden Bewegungsfugen fest. Wärmedämmverbundsysteme zeigen Schwächen im Bereich des Sockels und bei unzureichender Untergrundbefestigung.
Fenster müssen heutzutage ganz anders eingebaut werden als früher, hier ist eine innere und eine äußere Abdichtung vorzusehen und Bauschaum/ Montageschaum sollte nicht zum ausstopfen und dämmen des Zwischenraums zum Mauerwerk benutzt werden, weil dieser schwindet (Ein Mangel der heutzutage bei gefühlten 90 % aller Bauwerke anzutreffen ist.).
Außenfensterbänke aus Alu, Zink oder Kupfer sind ein Dauerbrenner jeder Neubau Mängelliste. Einfach mal nachsehen, ob sie von unten richtig verschlossen sind. In den allermeisten Fällen werden hier Hohlräume festgestellt, insbesondere bei Kellerfenstern. Ganz oft wird die seitliche Aufkantung der Fensterbank nicht richtig eingeputzt sondern der entstandene Abstand einfach mit Silikon verspritzt.
Aussenanlagen
Bei den Aussenanlagen gibt es 2 Probleme die regelmäßig zu Mängeln bei Neubauten führen:
- schlecht oder gar nicht verdichteter Boden . Dies führt zu Versackungen und Rissen. Schutt und Steine werden in die Baugrube geworfen und verursachen Schäden bei der Kellerdämmung und Abdichtung.
- Wohin mir dem Regenwasser? Besonders bei Kellerabschachtungen, Kellertreppen und Kellerlichtschächten führt die neue Regenwassersituation mit den Rinnen bei ungünstiger Topographie zu Überflutungen. Hier helfen oft nur ausreichend dimensionierte Sickerschächte.
„Unsichtbare“ Mängel
Eine Reihe von Mängeln kann man bei der Übergabe/Abnahme nicht mehr sehen. Diese sind nur bei den Baustellenkontrollen aufzufinden und zu rügen. So kann niemand später sehen ob der Deckenputz auf einem ausreichend grundierten Untergrund aufgetragen wurde oder in den nächsten Jahren von der Decke abfällt.
Wenn der Estrich verlegt ist sieht auch niemand mehr, ob die darunter befindlichen Versorgungs- und Elektroleitungen entsprechend ummantelt und gesichert wurden und umlaufend ein Randdämmstreifen vorhanden ist. Die Art von Mängel könnte später nur ein Schallgutachter aufdecken.
Was sind die Gründe für diese Mängel ?
Sicher auch der Kostendruck des Bauunternehmers ausgedrückt durch „schlechtes“ Personal, mangelhaftes Material und Zeitdruck. Abschließend zu benennen: Fehlende Gutachten, mangelhafte Detailplanung und fehlende Kontrolle bei der Ausführung.
Hier ein Link zu einer Studie des Bauherren Schutzbundes zum Thema: Neubaumängel
Welche typischen Mängel finden Sie in der täglichen Baupraxis ?
Kommentare
Letztlich ist eine fachkundige Begleitung eines Bauvorhabens, auch wenn es noch so einfach zu sein scheint, unerlässlich. Sparen ist eher bei überzogenen Ausstattungswünschen und unsinniger Dämmerei angebracht, aber niemals an der treuhänderischen Begleitung eines Architekten. Zudem sollte jedem Bauherren bewusst sein, dass Bauen immer öffentlich ist und die Realisierung eines Bauwerks im Blick auf die jeweilige regionale Baukultur eine große Verantwortung darstellt.
Also sparen Sie nicht am Architekten…
Häufig spielen die Eigenleistungen der Bauherrschaft verbunden mit Kosteneinsparung eine nicht unbedeutende Rolle innerhalb des Bauablaufes einerseits und der Gewährleistungsansprüche andererseits.
Die Frage, wen im nachhinein ein Verschulden tirfft, muss der Sachverständige klären.
Eine oftmals unterschätzte Forderung, denn nicht immer kann zweifelsfrei ermittelt werden, wer an einem Schaden die Schuld zu tragen hat und es muss gequotelt werden.
Klare Verhältnisse im Vorfeld zu schaffen gilt jedem vernübftigen Architekturbüro, eine Abspaltung der Leistungen bedeutet eine Abspaltung der Haftung, doch diese ist ebenfalls nicht grundsätzlich eindeutig, da die Gewerkeleistungen immer wieder ineinader übergreifend haften.
Eine klare Devise lautet deshalb, eindeutige Vertragsgrundlagen und Eigenleistung nur dort, wo der Bauherr die Möglichkeit hat, diese auch auszuführen – mehr geht einfach nicht.