Architekten müssen sich – ebenso wie Angehörige anderer Branchen – stets entscheiden: Altvertrautem hinterhertrauern oder Chancen erkennen und neue Wege gehen? Dass wir durch das Internet in einem Kommunikationszeitalter leben, erleichtert sowohl privat als auch geschäftlich viele Vorgänge maßgeblich. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass auch Planer von diesen Errungenschaften profitieren können. Wer von ihnen es tut, ist eine andere Frage.
Bei diesen neuen Wegen ist die Rede von Building Information Modeling, kurz BIM. Diese neue, CAD- und Cloudbasierte Methode zur optimierten Projektabwicklung ist nicht nur ein Insider-Tipp, sondern sogar vom Gesetzgeber gewünscht. Das Europäische Parlament sprach am 15.01.2014 eine Empfehlung zur Modernisierung des Vergaberechts aus: mithilfe von computergestützten Methoden wie BIM. Es ist, so der Wille der EU, bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und Ausschreibungen einzusetzen. Bei der Umsetzung hängt Deutschland allerdings etwas hinterher: Was hierzulande noch diskutiert wird, ist in Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Norwegen bereits vorgeschrieben.
In Deutschland arbeitet die Baubranche noch immer überwiegend nach dem altvertrauten Status quo: Die am Bauprozess beteiligten Leistungserbringer können ihre Leistungen weder fachübergreifend noch lebenszyklusumfassend miteinander verknüpfen. Aus diesem Umstand ergeben sich Defizite in der Planung, in der ökonomischen und ökologischen Umsetzung sowie der Wertschöpfungskette im Bauwesen.
Was können nun Argumente für ein Umdenken und den großen Kurswechsel sein? Am Anfang steht das Wissen, worum es sich bei BIM handelt.
Wovon sprechen wir, wenn wir „BIM“ sagen?
Um gleich zu Beginn alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: BIM ist keine Software, sondern eine Methode! Building Information Modeling ist, einfach gesagt, eine neue Form der Projektabwicklung. Es bietet ein Tool zur zentralen Verwaltung aller projektrelevanten Informationen wie etwa Verweise auf Ressourcen oder schriftliche Dokumentationen. Eine gute Definition ist der National BIM Standard (NBIMS) aus den USA:
Building Information Modeling (BIM) ist eine Planungsmethode im Bauwesen, die die Erzeugung und die Verwaltung von digitalen virtuellen Darstellungen der physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Bauwerks beinhaltet. Die Bauwerksmodelle stellen dabei eine Informationsdatenbank rund um das Bauwerk dar, um eine verlässliche Quelle für Entscheidungen während des gesamten Lebenszyklus zu bieten; von der ersten Vorplanung bis zum Rückbau.
Ziel des digitalen Bauprozesses ist das Optimieren der Wirtschaftlichkeit in Planung und Bau. Dies erreicht er durch eine integrierte und partnerschaftliche Arbeitsweise, die sich über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken erstreckt. Die 5-D-Planung (zu den bekannten 3-D-Komponenten kommen die Informationen zu „Zeit“ und „Kosten“ hinzu) beinhaltet somit alle relevanten Informationen zu einem Gebäude: von den Vorgaben des Bauherrn über die Planung bis hin zum Gebäudebetrieb und sogar Recycling und Rückführung in den Stoffkreislauf.
Zunehmend fällt im Zusammenhang mit Building Information Modeling die Wortkreation BIM, BAM, BOOM. Diese stammt ebenfalls aus den USA und stellt eine Erweiterung von BIM dar. Am Anfang steht des soeben beschriebene fünfdimensionale Building Information Modeling. Darauf folgt – BAM – das Building Assembling Modeling, das die Bauphase inklusive der Baulogistik simuliert. Hiervon profitieren besonders innerstädtische Baustellen, die naturgemäß enge Zuwegungen haben. BOOM letztlich, das für Building Operational and Organisational Modeling steht, stellt die Betriebsphase eines Gebäudes dar.
Bevor die Architektenschaft in Deutschland allerdings an BAM und BOOM denkt, gilt es zunächst ganz andere – zweidimensionale – Hürden, die sogar lange vor BIM stehen, zu überwinden.
BIM – Quo vadis?
Das Karlsruher Institut für Technologie, Fachgebiet Building Lifecycle Management hat 2013 eine umfassende Studie namens BIM – Potenziale, Hemmnisse und Handlungsplan durchgeführt, die einen interessanten und eindeutigen Einblick in die deutsche BIM-Situation gibt. Die im Folgenden genannten Inhalte stammen zu großen Teilen aus dieser Studie.
Building Information Modeling ist eine lebenszyklusumfassende Planungsmethode – das nennt sich „vertikale Integration“. Die methodische Grundlage ist das Prinzip der Integralen Planung. Würde BIM flächendeckend angewendet, wie von der EU gefordert, verspräche es eine Verbesserung der Wettbewerbssituation der deutschen Baubranche. Dass der Weg bis zu diesem Zustand jedoch ein weiter ist, zeigen die Ergebnisse der Studie aus 2013. Der zu gehende Schritt in Richtung BIM ist groß: Nach o. g. Studie des Karlsruher Instituts nutzen noch 60 Prozent der Planer 2-D-basierte CAD-Software. In Baufirmen beträgt dieser Anteil sogar über 70 Prozent.
Modellbasierte Werkzeuge kommen insgesamt vor allem in den frühen Planungsphasen zur Anwendung. So werden sie für die Visualisierung von über 77 Prozent und in der Entwurfsplanung von 57 Prozent der Anwender genutzt. In den anschließenden konstruktiven Detaillierungsphasen nimmt der Anteil der modellbasierten Nutzung weiter ab. Interessant ist, dass gerade bei den Prozessen der Bauablaufplanung und Dokumentation, in denen BIM-ähnliche Werkzeuge große Dienste leisten könnten, der Anteil auf rund ein Drittel schrumpft. Weiterhin spannend ist, dass die mit rund 60 Prozent dominierenden Austauschformate für Planungsdateien 2013 noch Papier waren!
Je größer Projekt und/oder Unternehmensgröße, umso höher ist die Anzahl der BIM-Nutzer. Aussagestark ist weiterhin, dass BIM-affine Anwender im Gegensatz zu Nicht-BIM-Nutzern geringere technologische Hemmschwellen zu überwinden haben. Sie betrachten weder komplexe Software noch Hardware-Anforderungen als Hinderungsgrund. Folgerichtig sind es Nicht-BIM-Anwender, die die Komplexität von BIM-Software als „zu hoch“ empfinden. Beide Gruppen halten hingegen die Nutzbarkeit der verfügbaren BIM-Austauschformate für unzureichend.
Ein weiterer Hinderungsgrund für die Nutzung von BIM sei neben Anwenderschwierigkeiten die Investition in die BIM-Software. Möglicherweise gibt es zwischen soeben genanntem und folgendem Fakt einen Zusammenhang: Vor allem effiziente und gut strukturierte Unternehmen verwenden BIM. Sofern diese finanziell besser aufgestellt sind, würde diese Vermutung Sinn machen.
Die erwähnte Studie fand überdies heraus, dass der Einsatz von BIM einen beachtlichen Mehrwert schafft – allerdings hierzulande verstärkt in unternehmensinternen Prozessen. Das volle – und größte – Potenzial der Methode wird also auch diesem Ergebnis nach noch nicht voll ausgeschöpft.
Allerdings seien weitere BIM-Schulungen notwendig, um Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Auch seien die Hochschulen hinsichtlich BIM-Lehre nicht ausreichend gut aufgestellt.
Wem nutzt BIM?
BIM ist in der Lage, sowohl Planungs- als auch Steuerungsprozesse von Bauprojekten zu straffen. Da alle Beteiligten einen Zugang zu dem BIM-Modell haben, entfallen zeit- und ressourcenbindende Umwege wie beispielsweise das Hin- und Herschicken einzelner Dateien. Dass mit dieser Methode Kosten optimiert werden können, liegt daher auf der Hand. So nutzt die Anwendung von BIM letztlich Bauherren ebenso wie Architektur- und Ingenieurbüros.
Pläne der Bundesregierung
Alexander Dobrindt (BMVI) (Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur) hat Mitte Dezember 2015 auf dem Zukunftsforum digitales Planen und Bauen in Berlin eine Offensive zur Digitalisierung der Baubranche angekündigt. Bis 2020 soll BIM bei allen neu zu planenden Projekten des BMVI eingesetzt werden. Dies ist der erste Schritt von Dobrindts Plan, das digitale Bauen und Wohnen bundesweit zum Standard zu machen. Nach den Plänen des Ministers soll hierfür die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einnehmen. Zur Beschleunigung des Vorhabens wurde eine sogenannte Reformkommission Bau von Großprojekten ins Leben gerufen. Diese folgt ihrem Grundsatz „Erst digital, dann real bauen“.
BIM – ein Ausblick
Obwohl BIM in Deutschland noch einen weiten Weg vor sich hat, ehe es sich etabliert haben wird, ist von einer Steigerung seiner Anwenderzahlen auszugehen. Wenn selbst die als hinsichtlich der virtuellen Welt oftmals als rückständig betrachtete Regierung hier aktiv in die Vorreiterrolle drängt, wird BIM langsam aber sicher Einzug in deutsche Planungs- und Architekturbüros halten.
Linktipps:
• BIM-Glossar auf http://www.hochtief-vicon.de
• Pläne der Bundesregierung
• BuildingSMART-Initiatve: http://www.buildingsmart.de/
• Förderprojekt BIMiD http://www.bimid.de/
von Gina Doormann
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